Es ist wichtig, dass ein Kind frühzeitig lernt, dass es auch einmal krank sein darf und nicht immer funktionieren muss.

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Jonathan geht es gar nicht gut. Der Bub hat Fieber, die Nase rinnt und er hustet nach jeder noch so kleinen Bewegung. Verena, seine Mama, hat schon die Oma organisiert, die tagsüber auf ihn aufpassen soll, weil sie sich keinen Pflegetag nehmen kann. Jonathan weint, als die Mutter das Haus verlässt, um zur Arbeit zu gehen. Selbst das kurze Streicheln über den heißen Kopf des Jungen bewirkt gar nichts, er kann sich einfach nicht beruhigen. So geht sie mit schlechtem Gewissen zur Arbeit. Gleichzeitig weiß Verena, dass das Kind von der Oma sehr gut versorgt werden wird.

Sabine weigert sich, zur Schule zu gehen. Sie klagt über Kopfschmerzen. Die Mutter redet auf die Jugendliche ein, doch zum Unterricht zu gehen, und bittet sie, eine Schmerztablette zu nehmen. Der Vater ist sich nicht sicher, ob das Mädchen nicht doch krank wird. Die Eltern beraten und entscheiden, dass die Tochter für diesen Tag vom Unterricht fernbleiben darf. Da sie alt genug ist, soll sie allein zu Hause bleiben dürfen und sich im Bedarfsfall bei der Mutter am Handy melden oder zur Nachbarin gehen.

Zuwendung und Angst

Wenn Kinder krank sind, suchen sie nach Zuwendung. Viele Kinder möchten gerne von vertrauten Menschen umsorgt und gepflegt werden. Sie haben oftmals das Bedürfnis nach körperlichem Kontakt, danach, gehalten und gestreichelt zu werden. Ihnen ist langweilig. Kleine Kinder verstehen noch nicht, wieso sie nicht so ausgelassen spielen können, wie sie es sonst von sich gewohnt sind. Sie sind oftmals grantig, weil sie ihre eigenen Grenzen merken. Es tut ihnen vielleicht etwas weh, das sie nicht benennen können. Deshalb weinen sie und suchen nach Schutz und Geborgenheit.

Das eigene Kind zu pflegen bedeutet auch, seine eigenen Grenzen als Mutter und Vater, als Bezugsperson aufgezeigt zu bekommen. Sei es die Angst, vielleicht etwas zu übersehen oder dem Kind die von ihm gewünschte und benötigte Aufmerksamkeit nicht genügend zur Verfügung zu stellen. Es ist nicht immer notwendig, gleich einen Arzt zu konsultieren, aber es ist wichtig, auch nicht den Zeitpunkt dafür zu übersehen. Mitunter ist das eine Gratwanderung zwischen der Entscheidung, auf die eigenen Erfahrungen und den Instinkt oder die dringende Notwendigkeit ärztlicher Hilfe zu vertrauen.

Anstrengende Pflegetage

Manchmal gibt es für Eltern und Bezugspersonen nichts Anstrengenderes als ein krankes Kind zu umsorgen, mit ihm zu spielen, ihm eine Geschichte vorzulesen, damit es zur Ruhe kommt und im Bett bleibt. Es mit lebensnotwendiger Flüssigkeit zu versorgen, wenn es keine Lust dazu hat zu trinken. Das Essen so herzurichten, dass es wenigstens ein bisschen Nahrung zu sich nehmen mag. Spiele zu erfinden, die das Kind zur Erholung animieren, ihm Trost zu spenden, wenn es vor Langeweile oder Schmerzen raunzt. In der Nacht wachzuliegen, weil das Kind mit im Bett liegt und es unbequem ist, sich das Bett zu teilen. Oftmals in der Nacht wach zu sein, die Bettwäsche zu wechseln und das Kind zu beruhigen, weil es vor lauter Weinen nicht in den Schlaf finden will.

Ist das Kind länger krank, bedarf es zusätzlicher Unterstützung von außen. Manchmal heißt es auch, erfinderisch zu sein, wenn die Pflegetage bereits aufgebraucht sind. Dann müssen zusätzliche Betreuungspersonen organisiert werden – die Großeltern, Verwandte, Bekannte oder Freunde. Es bedeutet auch, mit dem schlechten Gewissen fertigzuwerden, wenn der Job erledigt werden muss und Tochter oder Sohn jemandem anvertraut werden müssen.

Erholungspause einlegen

Krank sein bedeutet, dass es für den kleinen Menschen notwendig ist, eine Erholungspause einzulegen. Kinder lernen, dass sie so sein dürfen, wie sie sind. Sie erkennen, dass es ihnen auch einmal nicht so gut gehen kann und sie nicht so spielen können wie sonst. Das bedeutet auch, dass sie unausgeglichen sind, weil sie Schmerzen haben, die sie gerne wieder weghaben möchten. Sie sehnen sich danach, dass es ihnen möglichst bald wieder gutgehen möge.

Manchmal kann es auch sein, dass psychische Erlebnisse körperliche Krankheiten auslösen können. Die Kopfschmerzen des Jugendlichen können mitunter ein Hilfeschrei für etwas anderes sein.

Das Kind ernst nehmen

Hat ein Kind erfahren, dass es mit seinem Kranksein, seinem Unwohlsein ernst genommen wird, kann es in der Pubertät vielleicht auch besser über Probleme mit seinen Eltern und Bezugspersonen sprechen. Es ist wichtig, dass ein Kind frühzeitig lernt, dass es auch einmal krank sein darf und nicht immer funktionieren muss, auch wenn es für Eltern und Bezugspersonen oftmals umständlich und eine logistische Herausforderung ist, sein Kind in solchen Situationen bestens betreut zu wissen.

"Stell dich nicht so an!", "Du kannst nicht schon wieder fehlen!" oder "Kopfweh ist kein Grund, zu Hause im Bett zu bleiben!", solche Aussagen zeigen Kindern, dass sie nicht ernst genommen werden. Klarerweise müssen Eltern abwägen, ob ihr Kind wirklich krank ist, einen massiven Leidensdruck in sich spürt und deshalb mit körperlichen Krankheiten reagiert, oder nur keine Lust auf Kindergarten und Schule hat. Kinder können selten zwischen körperlichen und seelischen Schmerzen unterscheiden. Aber auch diesem Phänomen gilt es Aufmerksamkeit zu schenken und sich um das Kind und die Verbesserung seines Befindens zu kümmern.

Ihre Erfahrungen?

Welche Erfahrungen haben Sie damit, wenn Ihr Kind krank ist? Was sind die Herausforderungen für Sie? Was machen Sie, wenn ihr Kind krank ist? Posten Sie Ihre Kommentare im Forum! (Andrea Leidlmayr, Christine Strableg, 26.2.2016)