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Der Mossul-, vormals Saddam-Damm, Anfang Februar: 1984 fertiggestellt, begann die Korrosion des Untergrunds nur wenige Jahre danach. Seitdem wurden fast 100.000 Tonnen Mörtel hineingespritzt.

Foto: Reuters / Azad Lashkari

Bagdad/Wien – Mittlerweile ist zumindest der Vertrag mit der italienischen Firma Trevi unterschrieben, aber bis die Arbeiter – voraussichtlich abgesichert von italienischer Armee – die Arbeiten am Mossul-Damm beginnen können, wird es noch dauern. Dabei erneuerte die US-Botschaft in Bagdad vergangene Woche die Warnung vor einem möglichen Dammbruch und empfahl US-Bürgern, die möglichen Überschwemmungsgebiete zu verlassen. Schon Ende Februar forderte die irakische Regierung, die die vom Damm ausgehende Gefahr früher stets relativierte, die Einwohner Mossuls auf, sich in Zonen sechs Kilometer vom Tigris entfernt in Sicherheit zu bringen.

Mossul, 40 Kilometer Tigris-abwärts, das laut Berechnungen zwei bis vier Stunden nach einem Dammbruch von einer 20 Meter hohen Welle getroffen werden könnte, wird vom "Islamischen Staat" (IS) kontrolliert. Der Vormarsch des IS im Jahr 2014 ist auch mitverantwortlich für die jetzige Situation: Damals wurden die Erhaltungsarbeiten am Damm, der sogar kurzfristig unter die Kontrolle des IS fiel, eingestellt.

Der Mossul-Damm ist jedoch eigentlich seit Beginn seines Bestehens ein permanenter Notfall: Bereits in den späten 1980er-Jahren, also wenige Jahre nach der Fertigstellung des damaligen Saddam-Damms durch ein deutsch-italienisches Konsortium 1984, wurde deswegen beschlossen, eine zweite Sperre zu bauen, den Badush-Damm, 20 km flussabwärts. Aber dieses Projekt wurde in den wirtschaftlich schweren Sanktionsjahren nach dem Golfkrieg 1991 gestoppt. Auch die Instandhaltung des Mossul-Damms – und anderer irakischer Dämme – erfolgte in diesen Jahren auf einem minimalen Standard.

Im Korruptionssumpf

Nach 2003 waren 27 Millionen US-Dollar, die von Washington für die einfachste Sanierung bereitgestellt worden waren, im Bagdader Nachkriegs-Korruptionssumpf versickert. 2007, drei Jahre nach dem Sturz Saddam Husseins, schlugen US-Ingenieure erstmals Alarm. Das von ihnen entworfene Szenario war identisch mit dem heutigen: Die Flutwelle könnte sogar noch manche Teile Bagdads bis zu fünf Meter unter Wasser setzen, eine halbe Million Tote wäre zu befürchten, bei unzureichenden Evakuierungsplänen mehr. Akut bedroht wären natürlich auch die Städte Tikrit und Samarra.

Das Dammfundament sei "wie ein Sieb", sagen Ingenieure: Der Gips- und Kalkuntergrund, auf dem der Damm ruht, löst sich langsam auf, die zehntausenden Tonnen Mörtel, die im Laufe der Jahre in den Untergrund gespritzt wurden, waren nie mehr als Krisenmanagement. In den vergangenen Jahren wurde das Wasserniveau abgesenkt – auf Kosten der Stromproduktion –, aber in der nächsten Zeit ist durch die Schneeschmelze in den Bergen wieder mehr Wasser zu erwarten. Die Schleusen, die es kontrolliert zum Abfließen bringen können, sind blockiert.

Die Wassersperre wird heute als "der gefährlichste Damm der Welt" apostrophiert. Er war zu seiner Bauzeit ein typisches Prestigeobjekt von Saddam Hussein, der dem Irak ein – nicht immer auf soliden Boden ruhendes – Modernisierungsprogramm verordnete.

Schlechte Wartung

Während im Mossul-Damm von Anfang an der Wurm drin war, litten andere Wassersperren später durch die schlechte Wartung, wie etwa die Dämme von Dokan und Darbandikhan, fertiggestellt 1979 und 1983, die im kurdischen Norden die Tigris-Zubringer Kleiner Zab und Diyala aufstauen und die bereits Ende der 1990er als gefährdet galten. Sie wurden vor ein paar Jahren mit Hilfe der Weltbank saniert.

Die heute auf der ganzen Welt verstreuten irakischen Ingenieure, die noch am Bau des damaligen Saddam-Damms beteiligt waren, beteuern, immer schon gesagt zu haben, dass das Projekt ein Wahnsinn war. Es soll von Taha Yassin Ramadan vorangetrieben worden sein, einem von Saddams Vizepräsidenten. Ramadan – er wurde im März 2007 hingerichtet – war keiner, dem man widersprach, wenn er etwas anordnete. Der Guardian zitiert einen irakisch-schwedischen Expertenbericht aus dem Vorjahr: Es sei ein "Mysterium", warum bei diesen geologischen Gegebenheiten überhaupt gebaut wurde. (Gudrun Harrer, 8.3.2016)