Der internationale Frauentag am Dienstag ist ein guter Anlass, um einen Blick auf unsere Einstellung zu Geschlechterrollen zu werfen. Eine wertvolle Quelle dafür ist das International Social Survey Programme (ISSP). Das ISSP 2012 bat Befragte in 40 Ländern anzugeben, wie sehr sie den folgenden Aussagen zustimmen:

  • Eine berufstätige Mutter kann ein genauso herzliches und vertrauensvolles Verhältnis zu ihren Kindern finden wie eine Mutter, die nicht berufstätig ist.
  • Ein Kind, das noch nicht zur Schule geht, wird wahrscheinlich darunter leiden, wenn seine Mutter berufstätig ist.
  • Alles in allem: Das Familienleben leidet darunter, wenn die Frau voll berufstätig ist.
  • Einen Beruf zu haben ist ja ganz schön, aber das, was die meisten Frauen wirklich wollen, sind ein Heim und Kinder.
  • Hausfrau zu sein ist genauso erfüllend, wie gegen Bezahlung zu arbeiten.
  • Der Mann und die Frau sollten beide zum Haushaltseinkommen beitragen.
  • Die Aufgabe des Mannes ist es, Geld zu verdienen, die der Frau, sich um Haushalt und Familie zu kümmern.
  • Auch wenn beide Eltern voll berufstätig sind, ist es besser, wenn die Verantwortung für den Haushalt und die Kinder hauptsächlich bei der Frau liegt.

Aus den Antworten (eine fünfstufige Skala von "stimme voll und ganz zu" bis "stimme überhaupt nicht zu") lässt sich ein Index bilden, bei dem 0 für volle Zustimmung zu einem traditionellen Frauenbild steht und 1 für volle Zustimmung zu einem modernen Frauenbild. Die erste Grafik zeigt die Mittelwerte für diesen Index pro Land sowie die Streuung in der Verteilung der Antworten. Genauer gesagt stellen die waagrechten Balken den Quartilsabstand dar. Ein Viertel der Befragten liegt links des Balkens, ein Viertel liegt rechts davon, die mittleren 50 Prozent werden durch die Breite des Balkens abgedeckt.

Grafik: Laurenz Ennser-Jedenastik

Am oberen Ende der Verteilung liegen die nordischen Länder sowie einige andere westeuropäische Staaten. Österreich liegt im Mittelfeld der 40 Länder, am unteren Ende finden sich Gesellschaften Osteuropas, Asiens und Lateinamerikas. So weit, so wenig überraschend. Interessant ist hingegen, dass die Streuung der Indexwerte in Österreich besonders hoch ist. Der Quartilsabstand (die Breite des Balkens) ist nur in Deutschland höher. Anders ausgedrückt: Im Mittel haben die Österreicherinnen und Österreicher ein durchschnittlich modernes Frauenbild, aber die Polarisierung bei diesem Thema ist hierzulande größer als in den meisten Ländern.

Die zweite Grafik zeigt die durchschnittlichen Indexwerte pro Land, getrennt nach Geschlecht. Wenig überraschend verfügen Frauen (rote Punkte) meist über ein weniger traditionelles Frauenbild als Männer (blaue Punkte). In der Grafik fällt aber ebenso auf, dass die Geschlechterunterschiede im Allgemeinen dort größer sind, wo insgesamt ein relativ modernes Frauenbild vorherrscht. Wo das Frauenbild im Mittel traditioneller ist, gibt es weniger Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Eine mögliche Interpretation dieses Ergebnisses wäre, dass Frauen traditionelle Rollenbilder schneller hinter sich lassen als Männer, wenn sich in einer Gesellschaft mit der Zeit modernere Geschlechterrollen etablieren.

Grafik: Laurenz Ennser-Jedenastik

Zuletzt werfen wir einen Blick auf unterschiedliche Wählergruppen in Österreich. Hier zeigt sich, dass die Einstellungen stark entlang von Parteipräferenzen polarisiert sind. Wer FPÖ wählt, hat typischerweise ein traditionelleres Frauenbild, wer Grün wählt, ein moderneres. Plakativ gesprochen ist der Unterschied zwischen FPÖ- und Grün-Wählerinnen und -Wählern derselbe wie zwischen Ungarn und Frankreich (siehe erste Grafik). SPÖ- und ÖVP-Anhängerinnen und -Anhänger liegen dazwischen – wobei sich bei diesen beiden Parteien ein deutlicher Unterschied zwischen den Geschlechtern ergibt.

Fazit: Die Österreicherinnen und Österreicher haben ein durchschnittlich modernes Frauenbild, die Meinungen zu diesem Thema sind allerdings stark polarisiert und (entlang von Parteiloyalitäten) politisiert.

Grafik: Laurenz Ennser-Jedenastik

(Laurenz Ennser-Jedenastik, 10.3.2016)