Auf dem ehemaligen Cineplexx Reichsbrücke in der Wagramer Straße wurden Pflanzen auf ihre Eignung für den Extremstandort Hochhaus getestet. In 150 Meter Höhe sollen die Gehölze und Gräser den Bedingungen auf den Balkonen der geplanten Danube Flats standhalten.

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Das wohl berühmteste Beispiel für die Begrünung eines Hochhauses: der Bosco Verticale (vertikaler Wald) in Mailand. Architekt Stefano Boeri gewann dafür den Internationalen Hochhauspreis.

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Landschaftsplanerin Bernadette Blank.

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Landschaftsplanerin Bernadette Blank hat für das Projekt Danube Flats Pflanzen getestet, die den extremen Bedingungen auf Hochhausbalkonen standhalten sollen. Durchgefallen ist nur eine einzige.

STANDARD: Welche Faktoren müssen bei der Begrünung in 150 Meter Höhe berücksichtigt werden?

Blank: Ein Faktor ist natürlich der Wind. Wir haben unsere Versuche auf dem Cineplexx Reichsbrücke durchgeführt, das den Danube Flats weichen wird. Unsere Pflanzentröge standen höhenmäßig etwa im dritten Stock des geplanten Hochhauses. Was die Windstärke und die Angriffsfläche betrifft, besteht aber kein Unterschied, ob Pflanzen im dritten oder im 20. Stock wachsen. Unterschiede gibt es nur auf den verschiedenen Seiten des Gebäudes. Es zählt also nicht das Stockwerk, in dem sich eine Wohnung befindet, sondern der Umstand, ob ein Balkon nach Norden, Osten, Süden oder Westen ausgerichtet ist. Das haben mir die Experten vom Unternehmen Weatherpark erklärt, die eine Windstudie für den Standort Danube Flats durchgeführt haben. Ein anderer Faktor ist die Temperatur.

STANDARD: Was noch?

Blank: Die Sonne ist ein weiterer Faktor. Das hängt aber auch kaum mit der Höhe, sondern mit der Richtung, aus der der Schatten kommt, zusammen. Man muss hier natürlich Pflanzen wählen, die nicht hitzeempfindlich sind.

STANDARD: Also haben die Bewohner – je nach Himmelsrichtung – unterschiedliche Balkonpflanzen?

Blank: Genau. Im Norden braucht es Schattenpflanzen und im Süden Pflanzen, die direkte Sonneneinstrahlung vertragen und niedriger wachsen. Auch wo viel Wind ist, braucht es niedrige Pflanzen, die nicht verblasen werden können. Schöne Blüten etwa könnten vom Wind verweht werden. Kleinblättrige, wachsbeschichtete Pflanzen vertragen Sonneneinstrahlung besser. Auch Schnittlauch eignet sich hervorragend.

STANDARD: Welche Pflanzen eignen sich konkret noch?

Blank: Man kann im Prinzip alles pflanzen. Nadelgehölze, Laubgehölze, Gräser – es ist ein ganz weites Spektrum. Wir haben die Pflanzen in fünf Kategorien eingeteilt, von gut geeignet bis ungeeignet. Nur eine einzige Pflanze war nicht geeignet. Das war die Zierquitte, die ist zu hoch gewachsen und wurde vom Wind verweht.

STANDARD: Wie geht es nach der Pflanzenauswahl weiter?

Blank: Die Pflege ist ein großes Thema. Von Experten habe ich erfahren, dass Begrünungen oft an der Pflege scheitern. Wenn man sich vorher alles genau überlegt, sollte das aber nicht passieren.

STANDARD: Müssen die Bewohner die Pflanzen selbst pflegen?

Blank: Je nach persönlicher Vorliebe. Die Möglichkeiten einer automatischen Bewässerung sind schon so gut, dass man als Bewohner wenig machen muss. Es kann sogar über Bewässerungssysteme gedüngt werden. Eine unserer Überlegungen war, verschiedene Packages anzubieten. Eine Option für Menschen, die gerne Gemüse oder Kräuter anpflanzen, also selber garteln möchten, und ein Package mit Nadelgehölzen und Gräsern, bei dem der Bewohner wenig machen muss. Auch ein Ergebnis meiner Untersuchung: Es gibt Leute, die bei einer Pflanze nicht wissen, wo oben und unten ist. Das ist auch in Ordnung, aber diesen Menschen muss man entgegenkommen. Es ist deshalb wichtig, dass es diese unkomplizierte Pflegeoption gibt, nicht dass ein aufwendig konzipiertes Hochhaus dann viele kahle Stellen hat, weil die Bewohner die Pflanzen nicht pflegen wollen. Die Bewässerung sollte standardmäßig dabei sein, dann kann nicht viel schiefgehen, auch wenn mal jemand im Urlaub ist. Sie sollte dabei zentral gesteuert werden und sich nach der Sonneneinstrahlung, also der Lage der Wohnung, richten.

STANDARD: Brauchen die Pflanzen dann gar keine Pflege mehr?

Blank: Doch. Es braucht jemanden, der dahinter ist, etwa einen Hausbesorger oder engagierte Bewohner, die mit einer Landschaftsbaufirma zusammenarbeiten. Diese Personen können dann Ansprechpartner für alle Bewohner sein. Wichtig ist, dass eine Firma zweimal im Jahr das ganze Gebäude durchcheckt. Wie der Rauchfangkehrer kommt dann auch regelmäßig der Gärtner vorbei.

STANDARD: Was sind die Vorteile dieser Art der Begrünung?

Blank: Pflanzen um sich zu haben sorgt für Wohlbefinden. Wer möchte, kann selbst etwas anpflanzen und hat einen eigenen Garten. Obwohl man mitten in der Stadt ist, können sich Insekten ansammeln, es entsteht ein eigenständiges Kleinklima. Auch was den Sichtschutz zwischen den Balkonen betrifft, bieten diese Pflanzen Vorteile.

STANDARD: Wie werden bisher Häuser in Österreich begrünt?

Blank: Derzeit werden vor allem Kletterpflanzen und keine Tröge eingesetzt. In diesen "Blumenkistln" steckt aber viel mehr. Man hat einen richtigen Aufbau, wie bei einer Dachbegrünung inklusive Bewässerung. Tröge werden in Österreich derzeit noch stiefmütterlich behandelt. International gibt es viele Projekte, etwa den Bosco Verticale in Mailand. Dort werden die Pflanzen übrigens von außen mit Kränen und Seilsystemen gepflegt, um die Bewohner nicht zu stören. Ich glaube, dass die Landschaftsplanung im Allgemeinen unterschätzt wird – bei vielen Projekten wird eine Zusammenarbeit gar nicht erst in Betracht gezogen. Auch bei unserem Projekt war die Zusammenarbeit nicht optimal.

STANDARD: Wie hat sich das auf die Untersuchung ausgewirkt?

Blank: Wir haben währenddessen kaum Informationen vom Projekt selbst bekommen. Als wir mit unserer Untersuchung begonnen hatten, gab es noch nicht einmal eine Baugenehmigung für die Danube Flats. Bis jetzt weiß ich nicht, ob unsere Vorschläge zur Begrünung umgesetzt werden. (Bernadette Redl, 15.3.2016)