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Bilder aus Idomeni zeigen wirkliches Leid. Wirkliches Frierenlassen, Nichtversorgen, in Dreck und Schmutz Versinkenlassen.

Foto: ap/Vadim Ghirda

Sebastian Kurz hat von Johanna Mikl-Leitner gelernt. Sein inzwischen hinlänglich bekannter Satz "Es wird nicht ohne hässliche Bilder gehen" ist die linientreue Fortsetzung der Mikl'schen Grausamkeitstheorie. Diese besagt, dass, wenn nur genügend grausame Bilder sich über die sozialen Medien und die Presse verbreiten, die vor Krieg, Mord und Elend flüchtenden Menschen umkehren oder zumindest stehen bleiben werden. Eine menschenverachtende Theorie.

Wer es nicht selbst erlebt hat, kann das Ausmaß des Elends und der konkreten Lebensgefahr in den Herkunftsländern zwar mitempfinden, aber nicht bis zur letzten Konsequenz abschätzen. Wenn jedoch jemand glaubt, Menschen, die ihr Leben retten müssen, hässliche Bilder zur Abschreckung entgegenhalten zu müssen, dann ist das wahrlich ein "Anschlag auf die Menschlichkeit". So nannte der frühere deutsche Arbeitsminister Norbert Blüm am Samstag die Situation in Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze.

Wirkliches Leid

Diese Bilder sind keine gefakten Photoshop-Montagen zur Abschreckung. Diese Bilder aus Traiskirchen, Nickelsdorf, Spielfeld und jetzt aus Idomeni zeigen wirkliches Leid. Wirkliches Frierenlassen, Nichtversorgen, in Dreck und Schmutz Versinkenlassen. Sie sind authentisch – fast schon zynisch. Denn jede Schlammpfütze, jedes frierende Kind, das über Presseagenturen abgebildet wird, dient dem höheren Auftrag, Grausamkeit zu transportieren.

Der grüne Europaabgeordnete Michel Reimon wurde von der ÖVP angegriffen, weil er ein Bild des toten Aylan Kurdi mit dem obigen Zitat von Kurz verbreitet hatte. Ein ÖVP-Sprecher weist darauf hin, dass der syrische Flüchtlingsbub noch vor den Grenzschließungen umgekommen sei. Dass Reimon aber neuerliche Tote genau wegen der Grenzsschließungen befürchtet, weil sich immer mehr Menschen auf die gefährlichsten Wege der Verzweiflung einlassen müssen, will die ÖVP nicht sehen.

Elend und Hilflosigkeit

Die österreichische Politik produziert das Elend der hilflos ausgelieferten Menschen, auf dass sie abschreckend wirken mögen, mit. Wer die Mikl'sche Logik zu Ende denkt, wird zu dem Schluss kommen müssen, dass erst dann, wenn die äußeren Bedingungen in Europa genauso oder zumindest ähnlich lebensbedrohlich und potenziell tödlich sind wie in den Herkunftsländern der Flüchtenden, eine Flucht wirklich nicht mehr angebracht sein wird. Die Politik von Sebastian Kurz, Johanna Mikl-Leitner und Hans Peter Doskozil ist nicht nur ein Wettbewerb im Grauslichsein, sie ist ein Anschlag auf die Menschlichkeit. (Bernhard Jenny, 16.3.2016)