Bild nicht mehr verfügbar.

Tiroler Großraumhüttenabend mit Hansi Hinterseer in der Wiener Stadthalle: Nicht nur der Schlagerstar selbst, sondern auch die Bilder auf der Videoleinwand wärmen die Herzerln des in Decken gehüllten Publikums.

Foto: Franz Neumayr / picturedesk.com

Wien – Der Erfolg von Andreas Gabalier manifestiert sich nicht nur darin, dass er Werbung für alpenländische Wurst macht. Wer die Wurst hat, hat in diesem Land bekanntlich die Macht. Im Vergleich zum sanft für Käse aus den Bergen Stimmung machenden Vorbild Hansi Hinterseer hat er es mittlerweile Kraft seiner Jugend auch mit kräftigeren Rhythmen, stärkeren sexuellen Signalen und größeren Bergfeuern zu tun, als es der Altvordere noch zusammenbringen könnte. Aber eines hat Gabalier nicht, was der Hansi immer schon hat: Gabalier weiß nicht, dass man in dem Genre besser nichts Politisches sagt, bevor man etwas Politisches sagt. Und Hansi hat sein unpackbar urig und bärig gebliebenes Kitzbühel, wohingegen Gabalier nur die unpersönliche Großstadt Graz anzubieten hat.

Kitzbühel! Dieser nur mühsam mit Zirbenschnapsstuben, Latschentöpfen in der Fuzo und Speckbrot-to-go-Shops als originales Tiroler Dorf getarnte Vorort von München mag für unsere schöne alpenländische Musik zwar der idealste Ausgangspunkt von allen sein. Irgendwann aber wird man in diesem Idyll, in dem inzwischen nur noch der hart mit den Gaumenverschlusslauten schlittenfahrende tirolerunterländerische Dialekt als Uneschcko-Kkkulturerbe bewahrenswert erscheint, zwangsläufig umgepolt.

Foto: Gruber

Es handelt sich bei dieser typisch älplerischen Krankheit um eine Form des Stockholmsyndroms. Nach einer gewissen Gefangenschaftsdauer im Bergpanaroma bringt man dem Grauen aus verstimmtem Blechgebläse, über Schmalzbrote figlnden Ziehharmonikas, im Zweivierteltakt bergwärts juchazaten 6er-Sesselliften, durch den Berg getriebenen Stadtzentrumsumfahrungen mit dem Schneewalzer in der 500 Watt starken Autoanlage und Ötzi-Techno auf der Bergstation positive emotionale Gefühle entgegen. Trink ma nu a Schnapsei. Das ist Heimat. Die Berge. Tirol. Im Zweifi lei auf’s Konto schaugn. Bärig!

Starke Gefühle zur Jausenzeit

Hansi Hinterseer steht in der Wiener Stadthalle und breitet die Arme aus. Er mag die Leute. Das merkt man. Der Saal geht bei seinen als Konzerte getarnten Großraumhüttenabenden zwar nicht durch die Decke, wie man sagt. Eher schon sitzt man wegen dem Kreuz in Decken in der Halle. Aber einige Leuchtwürste und 20 wagemutige junge Leute, die irgendwann nach vorn zur Bühne stürmen ("Ihr gfreits eich scho aufs Tanz’n, ha?!"), sorgen dann doch noch für starke Gefühle zur nachmittäglichen Jausenzeit.

Gerade hat Hansi Hinterseer seinen heimatliebenden Teil in modischer Lederhose und mit sehr wahrscheinlich live gespielter Ziehharmonika hinter sich gebracht. Die Berge. Die Perle. Tirol. Komm in die Berge. Hier in den Bergen. Die schönen Berge. Alpenglühen, Edelweiss, Schneekanone. Gesicherter Skibetrieb bis Saisonende. Dieses Zeug. Gute Sache, wenn man entsprechend veranlagt ist. Hansi Hinterseer mag also das Land, trotzdem er die Leute kennt. Er ist zweifellos ein sympathischer Mensch.

In den 1970er-Jahren diente er der Gesellschaft und seinem Tirol mittels der Teilnahme an Skiweltcup-Rennen. Er ist neben Franz Klammer oder Karl Schranz dafür verantwortlich, dass unsere Heimat wieder etwas gilt in der Welt, weil auf den Fußball kannst du dich sowieso nie verlassen.

Foto: Gruber

Leider wedelt Hansi mit seinen 62 Jahren heute nicht mehr selbst auf der Bühne auf einem Laufband, während er irgendwas mit zwei Brettln und g’führigem Schnee oder so in exakt kein Mikrofon singt. Dafür singen die zwei bärigen Dirndln, von denen eine sogar nicht aus Tirol, sondern aus Oberösterreich "herkemmt", zu einem für eine Umziehpause genutzten Wedelvideo mit Hinterseer als Star: "Hansi, lass es tusch’n!"

Hansi Hinterseer machte in den 1970er-Jahren nicht nur die Moonboots und Haarbürsten sowie die Farbe Blond in der Männerwelt populär. Irgendwann wurde Hansi Hinterseer auch als immerwährend fröhliche Cashcow von der Seidlalm für die volkstümliche Musik entdeckt. Wie noch jeder mit einer halbwegs entwickelten ökonomischen Veranlagung im Geschäft, baute er sich allerdings auch schon früh ein zweites berufliches Standbein auf. Er macht nicht nur patriotischen volkstümlichen Schlager in der Lederhose, er macht auch internationalen Fernweh- und Liebesschlager im weißen Anzug.

Gaudi und Garten Eden

Während auf der Videoleinwand Luftballons fliegen und Herzerln blinken, mag das durchaus noch bodenständig klingen: "Von allem für dich nur das Beste, ab heut’ nur noch Gaudi und Feste!" Allerdings wird dann schon auch noch Weltläufigkeit zu Mandolinen aus der Alleinunterhalterorgel demonstriert: "Ganz tiaf da drin: Amore mio." Weltgewandt, aber natürlich schollentreu: "Ich hab’ das schönste Land der Welt gesehn / Das Gipfelkreuz der höchsten Berge. Ich durfte durch den Garten Eden gehn / Mit all den Wundern dieser Erde. Doch wenn ich sagen soll, was mir das Schönste ist / Es ist dein lächelndes Gesicht." Bei aller Liebe, Hansi Hinterseer ist ein verdammt harter Typ. (Christian Schachinger, 28.3.2016)

Foto: Gruber