Geschichte kommentieren, nicht ausradieren: Das NS-verherrlichende Kreuz bleibt durch die transparente Installation gut sichtbar.

Foto: Martin Krenn

St. Lorenz – Das Panorama ist beeindruckend. Nach einer gut halbstündigen Wanderung durch den Dunkelsteinerwald am rechten Donauufer eröffnet sich oberhalb der kleinen Ortschaft St. Lorenz ein Ausblick über das gesamte Weltkulturerbe Wachau.

In den 1960er-Jahren errichteten an dem idyllischen Ort ehemalige Wehrmachtsangehörige aus dem gegenüberliegenden Weißenkirchen ein meterhohes, offiziell als "Friedenskreuz" bezeichnetes Denkmal aus Holz. "Zum Gedenken für die gefallenen Helden der Kampfgruppe Jockisch" steht auf einer Zusatztafel.

Die genaue Geschichte der ominösen Kampfgruppe blieb den Nachgeborenen der Kriegsgeneration mangels historischer Aufarbeitung unbekannt. Wanderer fotografierten sich vor dem fragwürdigen Denkmal wie vor einem Gipfelkreuz, der Kameradschaftsbund hielt unter Anteilnahme der Bevölkerung regelmäßige Kriegsgedenken ab.

Als 2004 Utensilien wie ein Wehrmachtshelm und ein Lorbeerkranz aus Stahl hinzugefügt wurden, ging der örtliche Kameradschaftsbund klammheimlich auf Distanz, ohne tätig zu werden. Seit 2010 konnte das Kreuz so zum Pilgerort für Neonazis und rechte Gruppen, wie die Gedenkgemeinschaft für den NS-Luftwaffenoffizier Walter Nowotny, werden.

Inzwischen führt an dem "Friedenskreuz" ein gut ausgeschilderter und touristisch beworbener "Welterbesteig" vorbei. Die zuständige Gemeinde Rossatz-Arnsdorf und das Land Niederösterreich entschlossen sich daher, die Geschichte der Kampfgruppe Jockisch aufarbeiten zu lassen und dem Kreuz eine antifaschistische, künstlerische Intervention hinzuzufügen. Aus einem Wettbewerb ging der Wiener Künstler Martin Krenn hervor, der sich mit kritischen Arbeiten zur Erinnerungskultur im In- und Ausland einen Namen gemacht hat.

Kriegsverbrechen auf dem Balkan

Die Historiker Robert Streibel und Gregor Kremser recherchierten indes die Geschichte der Kampfgruppe Jockisch. Es hatte sich um eine Reservedivision der Wehrmacht unter dem Kommando von Hauptmann Bernhard Jockisch gehandelt. Auf dem Balkan hatte sie im Kampf gegen Partisanen sogenannte "Sühnemaßnahmen" an der Zivilbevölkerung begangen, Dörfer niedergebrannt und Geiseln erschossen.

"In den Nürnberger Nachfolgeprozessen wurde diese Art der Kriegshandlung als Verbrechen eingestuft. Wir haben es also mit einem Kreuz für eine Einheit zu tun, die in Nürnberg verurteilt wurde", erklärt Streibel, der auf Archivmaterial aus Deutschland sowie Recherchen in den Balkanländern verweist.

75 Jahre nach dem Überfall der Wehrmacht auf Belgrad wird nun das Siegerprojekt von Martin Krenn als "Mahnmal Friedenskreuz St. Lorenz" verwirklicht. Das ursprüngliche Kreuz bleibt dabei erhalten, die Geschichte soll nicht ausradiert, sondern kritisch kommentiert werden. Dazu hat Krenn eine auf drei mal vier Meter vergrößerte Fotomontage des deutschen Künstlers John Heartfield (1891–1968), gedruckt auf Metallgewebe, direkt vor das Kreuz montiert.

Heartfield ging als Pionier der politisch-satirischen Fotomontage in die Geschichte ein und zählte zu den frühesten Gegnern der Nationalsozialisten. Das aufgegriffene Werk Deutsche Eicheln 1933, im Jahr der NS-Machtergreifung in der Arbeiter Illustrierten Zeitung veröffentlicht, spielt auf satirische Art mit der Symbolik der "deutschen Eiche". Ein kleinwüchsiger Hitler bringt als Gärtner Eicheln mit Wehrmachtshelm und Pickelhaube zum Wachsen.

"Es soll einem das Lachen im Hals steckenbleiben; und darin war Heartfield der Beste seiner Zeit", sagt Krenn. Zusätzlich ließ der Künstler an dem Aussichtspunkt von Schülern gestaltete Collagen aufstellen, die den heutigen Umgang mit Geschichte und Antifaschismus thematisieren.

Eröffnet wird das Mahnmal am Sonntag um 14.30 Uhr direkt vor Ort. Am 4. Juni präsentieren Robert Streibel und Gregor Kremser zudem in Rossatz ihre Publikation Kreuz mit Geschichte mit anschließender Podiumsdiskussion. "Die richtige Debatte aber, auch über andere umstrittene Gedenkorte, wird vielleicht erst kommen. Und darauf würde ich mich freuen", sagt Streibel. (Stefan Weiss, 1.4.2016)