"Scharf" ist oft die erste Assoziation, die man hat, wenn man bei uns über Kimchi spricht. Angesichts des lockeren Umgangs mit den unterschiedlichen Kochstilen Asiens ist die koreanische Spezialität hierzulande ein bisschen untergegangen. Doch immerhin ist es ein Begriff geworden, mit dem der eine oder andere etwas anfangen kann.

Bei Kimchi handelt es sich um milchsauer vergorenes Gemüse, am häufigsten auf Basis von Chinakohl, Rettich oder einer Mischung aus beiden. Man lässt das Gemüse zuerst in Salz ziehen, wäscht es wieder ab und versetzt es mit Gewürzen wie Chili, Knoblauch, Ingwer, koreanischer Fischsauce und einer Miso-Gewürzpaste. Nach der Fermentation, die in der Regel ein paar Tage dauert, wird das eingelegte Gemüse im Kühlschrank gelagert.

Für Südkoreaner, die im Ausland leben, ist Kimchi die Speise, die sie am meisten vermissen. So steht es am Anfang jeder wissenschaftlichen Abhandlung. Kein Wunder, isst man die koreanische Spezialität doch zu jeder Tages- und Nachtzeit, pur, mit Reis oder als Beilage zu fast allen Speisen. In nahezu jedem koreanischen Haushalt findet man Kimchi im Kühlschrank.

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Chinakohlernte in Südkorea. Chinakohl ist die Basis für die bekannteste Form von Kimchi.
Foto: apa/epa/yonhap

Neben dem alltäglichen Gebrauch spielt das fermentierte Gemüse in Korea aber eine noch viel größere Rolle, als es Nahrungsmittel bei uns jemals tun werden. Es gibt Straßenfeste, Symposien und eigene Kimchi-Comics. Neben dem unverwechselbaren Geschmack werden Kimchi auch viele positive Eigenschaften nachgesagt. Die milchsaure Vergärung bewirkt, dass das Gemüse zu einer Vitamin- und Nährstoffbombe wird. Es bleibt außerdem lange haltbar und ernährt Menschen einen ganzen Winter über.

Südkorea mag zwar heute ein hochindustrialisiertes Land sein, doch bis vor etwa 50 Jahren war es eine Agrarwirtschaft. Angesichts der geografischen Lage und der klimatischen Gegebenheiten mit sehr kalten Wintern war das Haltbarmachen von Gemüse schon seit vielen Tausend Jahren eine schlichte Notwendigkeit.

Wer sich bei Kimchi an Sauerkraut erinnert fühlt, liegt richtig. Dessen Ruf als Vitamin-C-Lieferant und auch die Herstellung sind vergleichbar. Jedoch reklamiert Kimchi eine wesentlich höhere Anzahl an Nährstoffen für sich, die der Gesundheit zuträglich sein sollen.

Kimchi-Produktion im Rahmen des Kimchi-Festivals in Seoul im November 2015.
Foto: apa/afp/jung yeon-je

Altes Kraut

Die koreanische Spezialität lässt sich bis ins zweite Jahrtausend vor Christus zurückverfolgen. Unter anderem anhand von gefundenen Tongefäßen, in denen aufgrund der Bauweise offensichtlich bereits Dinge vergoren worden sind. Details über die Herstellung wurden erstmals im 12. Jahrhundert in einem Gedicht besungen. Die Schärfe, für die Kimchi auch bekannt ist, bekam es erst im späten 16. Jahrhundert, als Chili über die Handelsrouten auf die koreanische Halbinsel kam.

"Offiziell zum Nationalgericht erhoben wurde es bei den Olympischen Spielen 1988, als die Kimchi-Kultur so richtig in Schwung kam", weiß die Direktorin der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des World Institute of Kimchi, Chae Lin Park. Am Institut, das vom Staat Korea finanziert wird, forscht man allumfassend zu Kimchi und anderen fermentierten Lebensmitteln. Beweise für die gesundheitlichen Aspekte von Kimchi sollen übrigens erst im Zuge dieser Forschungen entdeckt worden sein, so Chae Lin Park.

Scharf wurde Kimchi erst im 16. Jahrhundert.
Foto: apa/afp/jung yeon-je

Ein einzig gültiges Rezept für wahres und originales Kimchi gibt es nicht. Chinakohl ist die Basis für die bekannteste Form. Verwendet werden jedoch alle möglichen Arten von Gemüse: Musun (Rettich), Oi (Gurken) oder auch Budschu (Bärlauch). Eine milde Variante ist Wasser-Kimchi. Meeresfrüchte und Fischsauce spielen in Küstennähe eine weit größere Rolle als im Hinterland. Zu den regionalen Unterschieden gibt es auch unterschiedliche Rezepte innerhalb der Familie.

Die Herstellungsprozedur nennt man Kimjang. Dafür treffen meist Frauen einer Familie oder eines Ortes zusammen, um mit Gummihandschuhen Unmengen an Kimchi einzulegen, bevor es dann in der Familie verteilt und unter Freunden und Nachbarn weitergereicht wird. Natürlich bietet die Lebensmittelindustrie auch Fertig-Kimchi an, doch die hausgemachte Variante genießt bei weitem das höchste Ansehen.

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Arbeiten für die Armen: Hunderte Freiwillige stellten im November 2015 in Seoul 150.000 Packungen Kimchi her, die an Bedürftige verteilt wurden.
Foto: ap/ahn young-joon

Immaterielles kulturelles Erbe

Früher seien die Kimchi-Rezepte von Schwiegermutter zu Schwiegertochter weitergegeben worden, da angeheiratete Frauen in die Familien der Männer "eingemeindet" wurden. Heute gehen die Rezepte von Mutter auf Tochter über.

So war es auch bei Spitzenköchin Sohyi Kim, die bei uns vor allem unter dem Namen "Kim kocht" bekannt ist. Sie hat das Kimchi-Machen ebenfalls von ihrer Mutter, einer angesehenen Köchin in der Stadt Busan, gelernt. In ihrem Restaurant in Wien-Währing bietet Kim unterschiedliche Kimchi-Arten – auch zum Mitnehmen – an.

Dem "Geist des Kimchi" haftet neben der emotionalen auch eine hochoffizielle Seite an. Von der Unesco wurden Kimchi und Kimjang 2013 als "immaterielles kulturelles Erbe" anerkannt. Im gleichen Jahr wurde "Kimchiology" als wissenschaftlicher Bereich festgeschrieben.

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Kimchi im Glas mit unterschiedlichen Aromen in einem amerikanischen Supermarkt.
Foto: ap/owen

Anlässlich des dritten Symposiums zu "The Humanities of Kimchi" trafen sich im November letzten Jahres Ernährungswissenschafter, Köche, Soziologen, Linguisten und Historiker, um sich über Kimchi auszutauschen. Kim, die in Südkorea unter anderem eine der bekanntesten TV-Köchinnen ist, sprach dort über die Bedeutung fermentierter Speisen als wesentlicher Teil der koreanischen Küche.

Thema des Symposiums war die "Globalisierung" von Kimchi. Einerseits sei man stolz, dass das Nationalgericht dank der zahlreichen im Ausland lebenden Südkoreaner – wenn auch nur in einer Form – bereits in die Welt exportiert wurde. Andererseits befürchte man, dass eine junge Generation gerade ob ihres Weltenbürgertums auf das Kimchi ihrer Heimat vergessen könnte.

Einig war man sich, dass man die Welt endlich mit der Vielfalt von Kimchi bekanntmachen muss. Dass dabei die gesunde Seite von Essen weitaus stärker in den Vordergrund gekehrt wird als die geschmackliche, verstört die mitteleuropäische Seele. Zählt doch bei neuen Speisen "gesund" immer noch deutlich weniger als "schmeckt". (Luzia Schrampf, RONDO, 11.4.2016)

Video über die Zubereitung von Kimchi in der Küche.
Maangchi