Istanbul – Türkische Satiriker haben den Strafantrag von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan gegen Jan Böhmermann kritisiert. "Das ist eine große Schande", sagte der Chefredakteur der Satire-Zeitschrift "Leman", Zafer Aknar, der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag in Istanbul.

Aknar erinnerte daran, dass auch Erdogan aufgrund eines Gedichts im Gefängnis saß. "Wäre ihm damals die Demokratie nicht zur Hilfe geeilt, wäre er weder Ministerpräsident noch Staatspräsident geworden".

"Schlagstock" gegen Kritiker

Der Chefredakteur der Satire-Zeitschrift "Nokta", Cevheri Güven, sagte, Vorwürfe der Beleidigung Erdogans würden als "Schlagstock" gegen Kritiker vor allem in der Türkei missbraucht. Inzwischen habe das sogar internationale Ausmaße angenommen. Gegen Güven selbst laufen zwei Strafverfahren wegen Beleidigung des Präsidenten.

Erdogan war 1998 wegen Volksverhetzung zu zehn Monaten Haft verurteilt worden, von denen er vier absaß. Grund war eine Rede, bei der Erdogan aus einem religiösen Gedicht zitiert hatte.

Nach Angaben des Justizministeriums wurden seit Erdogans Wahl zum Staatspräsidenten im August 2014 mehr als 1.800 Verfahren wegen Präsidentenbeleidigung eröffnet.

Erdogan-naher Sender reagiert mit bizarrem TV-Beitrag auf Böhmermann

Mit einem bizarren Fernsehbeitrag hat der Erdogan-nahe türkische Sender A Haber wiederum auf das Schmähgedicht des ZDF-Satirikers Jan Böhmermann reagiert. Ein A-Haber-Reporter versucht dabei in Mainz, unter Berufung auf die Pressefreiheit mit laufender Kamera auf das Gelände der ZDF-Zentrale zu gelangen.

Dass dem türkischen Team der Zutritt nicht gestattet wird, soll als Beleg für den schlechten Zustand der Pressefreiheit in Deutschland dienen.

A-Haber ist auf Linie von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, der wegen Böhmermanns Schmähgedicht Strafanzeige gestellt hat. Insgesamt spielt der Fall in der öffentlichen Diskussion in der Türkei eine deutlich kleinere Rolle als in Deutschland. Das mag daran liegen, dass der beleidigende Inhalt des Schmähgedichts auch in der Türkei nicht wiedergegeben wird. Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus warf Böhmermann am Montag vor, ein "schweres Verbrechen gegen die Menschlichkeit" begangen zu haben. (APA, 12.4.2016)