In Wostotschny blieb man zunächst gelassen – zumindest bis sich ein verstimmter Ehrengast aus dem Kreml zu Wort gemeldet hat.

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Wostotschny – Wegen einer technischen Störung hat Russland den Erststart einer Rakete vom neuem Weltraumbahnhof Wostotschny verschoben. Etwa zwei Minuten vor dem geplanten Abheben der Sojus-2.1a seien die Vorbereitungen automatisch abgebrochen worden, sagte Russlands Raumfahrtchef Igor Komarow am Mittwoch auf dem Kosmodrom nahe der chinesischen Grenze. Als möglicher Grund galten Probleme mit dem Tank.

Putin wartet noch

Präsident Wladimir Putin war eigens zum geplanten Start aus dem rund 8.000 Kilometer entfernten Moskau angereist. Und er reagierte nicht amüsiert. Nach der Panne hat der russische Präsident die Raumfahrtbranche in seinem Land scharf kritisiert: "Natürlich bleibt Russland trotz aller Mängel führend bei der Zahl der Raketenstarts, das ist gut. Aber dass wir mit einer Vielzahl von Pannen konfrontiert sind, das ist schlecht", sagte Putin der Agentur Interfax zufolge.

Beim sechsjährigen Bau von Wostotschny hatte es mehrere Festnahmen wegen Korruptionsvorwürfen gegeben. Den Schuldigen drohe eine "harte Pritsche im Gefängnis", sagte Putin. Die Entscheidung über einen neuen Startversuch am Donnerstag (28.4.) soll in den Morgenstunden fallen. Der Kreml kündigte an, Putin wolle dies vor Ort abwarten.

Wie es weitergeht

"Das System hat uns angezeigt, dass eine Verschiebung besser ist", hatte zuvor Roskosmos-Vize Andrej Iwanow gesagt. Ein solcher Fall sei in der Raumfahrt gängige Praxis. "Das zeigt, dass die Automatik funktioniert. Es ist nichts Schlimmes passiert." Der Abbruch habe weder mit den technischen Besonderheiten in Wostotschny noch mit möglichen Fehlern des Personals zu tun.

Komarow zufolge wurde die Fehlerstelle lokalisiert. "Wir werden den Vorgang nun analysieren", meinte der Roskosmos-Chef. Eine Kommission hatte kurz vor dem geplanten Start am Mittwoch um 4.01 MESZ noch grünes Licht gegeben.

Hintergrund

Die Rakete soll drei Forschungssatelliten in die Erdumlaufbahn bringen. Ernste technische Probleme treten bei einer Sojus selten auf. Sie gilt als zuverlässiges Transportmittel für Menschen und Fracht ins All. Die Rakete und die Satelliten hätten durch den Abbruch keinen Schaden genommen, sagte ein Roskosmos-Sprecher.

Wostotschny ist der erste nicht-militärische Weltraumbahnhof in Russland. Die Raumfahrtnation will sich damit auch unabhängig machen von ihrem Kosmodrom Baikonur, das sich seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 in der Republik Kasachstan befindet. Russland zahlt jährlich etwa 100 Millionen Euro Pacht für das Gelände in Baikonur, der Vertrag läuft bis 2050.

Bemannte Flüge sollen ab Wostotschny nicht vor 2023 erfolgen. Die Kosten für den neuen Weltraumbahnhof belaufen sich Medien zufolge auf bisher umgerechnet fünf Milliarden Euro. Während der etwa sechsjährigen Bauzeit hatte es erhebliche Probleme gegeben. So waren Funktionäre wegen Unterschlagung festgenommen worden, und Arbeiter hatten wegen ausstehender Löhne gestreikt. (APA, red, 27. 4. 2016)