Smartphones werden immer schneller, bekommen immer ausgefeiltere Kameras, mehr Speicher und Sensoren. In den vergangenen Jahren hat sich die Fortentwicklung vieler Smartphone-Flaggschiffe sehr voraussehbar entwickelt. Und so manches Alleinstellungsmerkmal – etwa der über die Seiten gekrümmte Bildschirm der Galaxy S Edge-Smartphones – hat bisher noch keinen alltäglichen Mehrwert bewiesen.

Auch der koreanische Elektronikhersteller LG war hier keine Ausnahme. Das G2, G3 und G4 sind für sich sehr gute Smartphones und vor allem in puncto Kamera konnte man sich ins Spitzenfeld vorarbeiten. Mit dem jüngsten Spross, dem G5, versucht man nun, durch ein modulares Konzept wieder einen Schritt vor die Konkurrenz zu setzen. Der WebStandard hat das Smartphone mitsamt "Camera UX"-Modul getestet.

Foto: derStandard.at/Pichler
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Ungleiche Geschwister

Was gleich auffällt: Dass das G5 der Nachfolger des G4 ist, liegt nicht gerade nahe, ließe nicht der Modellname darauf schließen. Eine sanfte Krümmung der oberen und unteren Gehäusekante weist unscheinbar auf die Verwandtschaft hin.

Ansonsten hat LG praktisch alles verändert. Statt auf Kunststoff zu setzen, steckt die Hardware nun in einem Metallgehäuse, das mit deutlich weicheren Kurven daherkommt. Die charakteristische Positionierung der Lautstärketasten auf der Rückseite ist Geschichte, stattdessen prangt auf der linken Seite nun eine Wippe. Übrig ist an dieser Position der Fingerabdruckscanner, der gleichzeitig auch der Ein/Aus-Button ist.

Das beim G4 wiederum noch sehr "klassisch" gestaltete Kameramodul ist einer Leiste gewichen, die ein bisschen an das Nexus 6P erinnert. Dort stecken gleich zwei Kameraobjektive, der Laser-gestützte Autofokus sowie der Dual-LED-Blitz. Die Front des Handys präsentiert sich nach wie vor mit schlanken Bildschirmrändern. Dadurch, dass nur die Lippe des Gehäuses in metallischem Silber glänzt, darüber das Gehäuse jedoch durchgehend schwarz ist, ergibt sich ein futuristisch angehauchter Look.

Das LG G5 (links) und sein direkter Vorgänger G4.
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Saubere Verarbeitung, ordentliche Ausstattung

Die Verarbeitung ist gelungen, das Material wirkt hochwertig. Es gibt keine bedenklichen Spalten, das Handy liegt gut in der Hand und die Rückseite hat ausreichend Grip. Sie liegt allerdings nicht flach auf, da der sehr zuverlässige Fingerabdruckscanner und die Kamera geringfügig hervorstehen. Bedient man das Handy, wenn es etwa am Tisch liegt, wackelt es trotzdem nicht.

Beim Innenleben hat LG nicht gespart. Wie praktisch bei allen anderen aktuellen Smartphone-Flaggschiffen ist es Qualcomms Snapdragon 820-SoC, der für die notwendige Rechenpower sorgen soll. Getaktet sind die beiden stärkeren CPU-Kerne auf 2,15 GHz, die beiden sparsameren auf 1,6 GHz. Mit vier GB ist auch der Arbeitsspeicher ordentlich bemessen.

Der interne Speicher fasst 32 GB. Da die Rückseite nicht mehr abnehmbar ist, ist der Micro-SD-Slot nun gemeinsam mit dem Sim-Slot in einen Einschub auf der rechten Gehäuseseite gewandert. Es gibt eine Dual-Sim-Variante des LG G5, die allerdings in Österreich nicht offiziell eingeführt wird.

Foto: derStandard.at/Pichler
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2K-Display nicht ganz auf Topniveau

Beim Display setzt LG auf ein IPS-Panel, das wie schon seit dem G3 mit 2.560 x 1.440 Pixel auflöst. Die Pixeldichte von 554 PPI dürfte vor allem für Freunde von mobilen VR-Experimenten interessant sein, im Alltagsbetrieb ist der Unterschied zu einem Full-HD-Display bei normalem Abstand nicht mit freiem Auge erkennbar. Bei der Darstellungsqualität reicht der Bildschirm nicht ganz an aktuelle Top-Smartphones von Samsung heran. Das ist allerdings Nörgelei auf hohem Niveau, denn trotzdem produziert es schöne Farben und Kontraste und verfügt über eine gute maximale Helligkeit.

Ins Internet gelangt das G5 per WLAN (802.11ac), 3G und LTE. Es unterstützt Bluetooth 4.2 und NFC, dazu gibt es einen Infrarot-Port, der per Fernbedienungs-App die Steuerung von Fernsehern und anderen Geräten erlaubt. Für verkabelten Datentransfer und das Aufladen des Akkus steht am unteren Rand ein USB 3.0-Port (Type C) zur Verfügung. Der Lautsprecher des Smartphones findet sich links davon.

LG UI

Auf dem Handy läuft Android 6 "Marshmallow", das LG mit seiner eigenen Oberfläche ausgestattet hat. Diese verfügt standardmäßig nicht über einen Appdrawer, somit müssen alle Apps über die Homescreens organisiert werden. Dankenswerterweise lässt sich über das Einstellungsmenü allerdings auch eine Variante mit "App-Schublade" (so auch LGs direkte Übersetzung) nachinstallieren.

Mit diesem sollte sich jeder, der mit Androids Standard-Oberfläche zurecht kommt, schnell auskennen. Die auffälligsten Unterschiede im restlichen System finden sich in Form der umgestalteten Benachrichtigungsleiste und dem in per Reiter in Kategorien eingeteilten Einstellungsmenü. LG liefert dazu einige eigene Alternativen zu Standard-Apps, deren Mehrwert eher zweifelhaft ist.

Verfügt die Kamera-App immerhin über erweiterte Einstellungsmöglichkeiten, kann die LG-eigene "Galerie" nicht mehr, als das ohnehin vorinstallierte Google Fotos. Im Gegenteil: Klickt man den Button zur Bearbeitung eines Fotos, stellt sich heraus, dass derlei Features nicht vorhanden sind und man auf diesem Wege erst recht wieder bei Googles Programm oder einem entsprechenden Tool aus dem Store landet.

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Flotter Flitzer

In Benchmarks macht das G5 eine erwartet gute Figur. Mit über 123.000 Punkten platziert es sich beim Allround-Test mit Antutu etwas unterhalb des Samsung Galaxy S7 Edge und iPhone 6s. Beim 3DMark-Grafikdurchlauf (Sling Shot ES 3.1) landet es mit fast 2.600 Zählern ebenfalls im Spitzenfeld. Die Browser-Performance quantifiziert Vellamo mit 4.600 Punkten.

In realen Nutzungsszenarien hält das Smartphone, was es hier verspricht. Man navigiert flüssig durch das System. Apps starten flott. Und auch aufwändigere 3D-Games laufen ohne Ruckler oder übertriebener Erwärmung der Rückseite des Handys.

Modulkonzept

Soviel zur üblichen Technik. Unüblicher wird es, wenn man einen zweiten Blick auf den unteren Teil des LG G5 wirft, denn dieser lässt sich nach Druck auf einen kleinen Knopf herausziehen. Dann lässt sich die Lippe des Handys mitsamt dem Akku herausziehen. Der Energiespeicher lässt sich (mit unerwartet hohem Kraftaufwand) abnehmen und somit tauschen oder an eines der anderen Module befestigen. Das Prozedere ist simpel gehalten und stellt auch grobmotorische Menschen nicht vor all zu große Herausforderungen.

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Als Zusätze bietet LG im Moment ein Hifi-Sound-Modul von Bang & Olufsen an, das die Wiedergabe von Musik in hoher Qualität verbessern soll und einen eigenen, zusätzlichen 3,5-mm-Klinkenausgang für Kopfhörer mitbringt. Dieses war zum Testzeitpunkt noch nicht verfügbar, allerdings legt der Hersteller dem Testgerät das zweite Modul, "Cam Plus", bei.

Dieses fügt dem Androiden keine zusätzliche Kamera hinzu, erweitert es allerdings um einen Zusatzakku mit 1.200 mAh, einen Haltegriff sowie einige Buttons (Videoaufnahme, Auslöser, Zoom-Rad, Einschalter), um das G5 wie eine Point-and-Shoot-Kamera verwenden zu können. Nach dem erstmaligen Anschluss benötigte das Smartphone einen längeren Moment, bis diese Buttons auch funktionierten. Danach arbeitete diese Erweiterung aber einwandfrei.

Vergebenes Potenzial

In der Tat lässt sich das Handy damit für Fotografiezwecke etwas besser bedienen. Im Vorteil sind jedoch Menschen mit kleineren Händen, da der Griff eher klein dimensioniert ist und die Funktionstasten recht nah beieinander liegen – ergonomisch ist das Erlebnis definitiv ausbaufähig. Ändern lässt sich ihre die Konfiguration der Steuerelemente übrigens nicht.

Das Potenzial der an sich guten Idee verschenkt LG schließlich endgültig dadurch, dass man in das Kamera-Element auch kein Stativgewinde integriert hat, mit der man das Handy etwa stabil auf einem kleinen Dreibein befestigen könnte.

Nichtsdestotrotz verdient das einfach umgesetzte Modul-Konzept Lob, zumal LG damit nach Fairphone erst der zweite Hersteller ist, der mit einer Entwicklung dieser Art auf den Smartphone-Markt geht. Andere Projekte lassen bislang auf ihre Fertigstellung warten – allen voran Googles Project Ara, dessen Markttest laut den ursprünglichen Plänen des Konzerns schon vergangenen Sommer hätte anlaufen sollen.

Mit dem Kamera- und Sound-Modul ist die Idee beim G5 – hoffentlich – noch nicht ausgereizt. Es liegt nun an LG, zu zeigen, was hier noch geht.

Foto: derStandard.at/Pichler

Starke Kamera

Der Kamera selbst kann man bedenkenlos hohe Qualität bescheinigen. Sie darf als zweites Merkmal gelten, mit dem sich das Handy vom restlichen Feld etwas abhebt. Die beiden rückseitigen Kameras (16 und acht Megapixel) sollen in Kombination für schöne Fotos bürgen und tun das auch. Selbst unter wenig Licht und reinem Kunstlicht arbeiten sie flott, liefern ein natürliches Farbbild und erhalten viele Details. Die Bilder fallen aufgrund der weniger ausgeprägten nachträglichen Software-Korrektur etwas schärfer, aber auch etwas verrauschter aus, als etwa am Galaxy S7. Wer mag, kann übrigens auch Fotos im RAW-Format schießen.

Einer der Sensoren ist für Aufnahmen auf mittlere und große Distanz gedacht, der zweite für Nahaufnahmen. Während die Software Blitz und HDR automatisch zuschalten kann, muss hier manuell gewechselt werden. Denn richtet man die falsche Linse auf ein nahes Fotomotiv, tritt eine nicht zu übersehende, fischaugenartige Verzerrung ein.

Auch die Frontkamera liefert ordentliche Resultate, reagiert aber stärker auf problematische Lichtbedingungen. Dazu neigt die automatische Gesichtsverschönerung zu Übereifrigkeit. Sie lässt sich jedoch in mehreren Stufen regeln oder komplett abschalten.

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Schwächelnder Akku

Solide Arbeit hat LG bei der Akustik geleistet. Der Lautsprecher des Handys kann einen Raum von 25 Quadratmetern gut beschallen, ohne all zu drastische Klangverzerrungen zu produzieren. Auch die Telefonie-Akustik ist auf beiden Seiten der Leitung passabel. In Sachen Empfangsstärke gibt sich das G5 mittelmäßig.

Sparsam dimensioniert hat der koreanische Konzern allerdings den Akku. 2.800 mAh ist für ein Flaggschiff mit diesem Displaymaß trotz Austauschmöglichkeit eher kärglich. Soweit sich aus dem kurzen Testzeitraum ableiten lässt, dürfte das G5 bei normalem Gebrauch über den Tag mit nur noch sehr wenigen Reserven in den Abend gehen. Zumindest aber ist der Akku kompatibel zu Quickcharge 3.0 und damit binnen 30 Minuten von Null auf 80 Prozent aufgeladen. Es würde nicht erstaunen, sollte in Zukunft ein rein als Akkuerweiterung gedachtes Modul auf den Markt kommen.

Fazit

LG macht beim G5 vieles richtig und wenig falsch. Obwohl man auf ein Metallgehäuse umgestiegen ist, bleibt eine Speichererweiterung möglich und der Akku austauschbar. Das Modul-Konzept ist spannend und technisch ansprechend gelöst – die bisherige Auswahl an Erweiterungen unterspielt sein Potenzial aber stark. Das duale Kamera-System macht sich im Großen und Ganzen bezahlt.

Bei grundsätzlichen technischen Belangen hat man ebenfalls nichts anbrennen lassen. Der Androide läuft flott, überhitzt nicht und stemmt auch anspruchsvolle Aufgaben ohne Murren. Kritik verdient jedoch der unterdimensionierte Akku, der das Telefon nicht gerade zum Laufzeit-Großmeister macht.

Die Preisempfehlung für das Handy liegt bei 699 Euro. Einige Händler geben es aber schon um rund 620 Euro ab. (Georg Pichler, 1.5.2016)

Testfotos

Tageslicht (Link zum Originalbild)
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Nahaufnahme, Tageslicht (Link zum Originalbild)
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Nahaufnahme, Tageslicht (Link zum Originalbild)
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Frontkamera, Tageslicht (Link zum Originalbild)
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Gemischte Lichtsituation (Link zum Originalbild)
Dunkelheit, nur Blitz (Link zum Originalbild)
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