Nach dem 24. April geben sich beide Kandidaten, Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen, (noch) sehr bedacht und verzichten so weit wie möglich auf gegenseitige Angriffe. Vielmehr achtet man darauf, sich so staatsmännisch wie möglich zu verhalten. So wollen beide die breite Mitte erreichen. Nur während dies für Norbert Hofer absolut Sinn macht, könnte genau diese Strategie für Van der Bellen schwer ins Auge gehen.

Dazu sollten wir einen Blick auf die Wähler und Wählerinnen aus Markensicht werfen.

Fünf Wählergruppen

Strategisch betrachtet kann man dabei zwischen fünf Gruppen von Wählern und Wählerinnen unterscheiden:

1) Wähler und Wählerinnen, die mit Sicherheit Norbert Hofer wählen bzw. auch wiederwählen.

2) Wähler und Wählerinnen, die mit Sicherheit Alexander Van der Bellen wählen bzw. wiederwählen.

3) Wähler und Wählerinnen, die aus welchen Gründen auch immer sicher nicht Norbert Hofer wählen und daher entweder Van der Bellen, ungültig oder nicht wählen.

4) Wähler und Wählerinnen, die aus welchen Gründen auch immer sicher nicht Alexander Van der Bellen wählen und daher entweder Norbert Hofer, ungültig oder nicht wählen.

5) Der Rest der Wähler und Wählerinnen, der unentschlossen ist und unter Umständen sogar überlegt, nicht zur Wahl zu gehen oder ungültig zu wählen.

Norbert Hofer hat dazu angekündigt, dass er seine Strategie wie bisher fortsetzen werde. Dafür sprechen aus Markensicht ganz klar drei Gründe: Erstens: Er bestätigt so seine bisherigen Wähler und Wählerinnen. Zweitens: Er setzt so auf den Herdentrieb der Menschen, denn Erfolg zieht Erfolg an. Und drittens: Er kann damit rechnen, dass in Österreich Mitte-rechts etwas größer als Mitte-links ist.

Dies könnte noch durch wohlmeinende Zurufe aus dem Ausland und durch "linke Aktionen" verstärkt werden. Aus dieser Perspektive betrachtet, sind Slogans wie "Stimme der Vernunft – Einer mitten im Leben" und auch "Das Recht geht vom Volk aus – Ein neues Amtsverständnis" durchaus sinnvoll.

Noch keine Strategie

Ganz anders sieht die Situation aus Sicht Alexander Van der Bellens aus! Natürlich könnte auch er, wie es auch einige Politberater bereits empfehlen, seine bisherige Strategie fortsetzen. Damit würde er natürlich auch seine bisherigen Wähler und Wählerinnen bestätigen.

Nur der generelle Herdentrieb wäre wahrscheinlich schon sehr viel schwächer ausgeprägt, da er unter den Erwartungen bzw. Prognosen lag. Und er muss befürchten, dass Mitte-rechts in Österreich etwas größer als Mitte-links ist. Typisches Indiz dafür: Weder Irmgard Griss noch die ÖVP können sich zu einer echten Wahlempfehlung für Van der Bellen durchringen.

Nur zwei Zielgruppen

Genau in dieser Situation sollte Alexander Van der Bellen aus Markensicht alle Kräfte nicht auf die breite Mitte, sondern nur auf zwei dieser Zielgruppen mit einer engen Botschaft fokussieren. Dazu sollten wir noch einmal einen Blick auf die fünf Zielgruppen werfen. Die erste Zielgruppe kann er vergessen, denn diese wird zum Großteil wieder Norbert Hofer wählen. Die zweite Zielgruppe hat er fix, da diese keine Alternative sieht und wahrscheinlich um jeden Preis Norbert Hofer verhindern will.

In der dritten Zielgruppe hat er ebenfalls diese fix als Wähler, die Hofer um jeden Preis verhindern wollen und Van der Bellen als wählbar ansehen. Hier muss er speziell jene erreichen, die überlegen, nicht zur Wahl zu gehen bzw. ungültig zu wählen. Die vierte Zielgruppe kann er vergessen und hoffen, dass diese entweder nicht zur Wahl geht oder ungültig wählt. Die fünfte Zielgruppe ist sicher jene, die er neben der drit- ten Zielgruppe erreichen muss.

Aber mit welcher Botschaft könnte man diese beiden Zielgruppen erreichen? Dazu sollte Van der Bellen zwei Punkte beachten: Erstens: Die Botschaft sollte zu dem passen, was auch Norbert Hofer generell vertritt. Und zweitens: Die Botschaft sollte Norbert Hofer an einem wunden Punkt treffen. Sie sollte Norbert Hofer also an einem Schwachpunkt in dessen Stärke treffen.

So fordert Norbert Hofer aktuell ganz klar einen starken Präsidenten, der auch die Regierung mehr als nur kontrolliert. So spricht er auch von einem neuen "Amtsverständnis". Nur in der nächsten Regierung, spätestens ab 2018 ist die Chance groß, dass diese einen blauen Vizekanzler oder sogar einen blauen Kanzler hat. Genau hier könnte Van der Bellen mit der Botschaft "Auch eine blaue Regierung braucht Kontrolle" oder "Auch ein blauer Vizekanzler oder blauer Kanzler braucht Kontrolle" ansetzen. Diese eine Botschaft könnte einen Teil der Unentschlossenen und auch einen Teil von Mitte-rechts erreichen, um so doch – trotz aller Überlegungen und vielleicht auch Vorbehalte – Alexander Van der Bellen zu wählen. Nur dazu müsste er diese Botschaft genau zum richtigen Zeitpunkt zur zentralen Botschaft machen.

48 oder 52 Prozent

Egal für welche Botschaft und Strategie er sich letztendlich entscheidet, er kann und wird aus Markensicht nicht gewinnen, wenn er versucht, staatsmännisch die breite Mitte zu erreichen. Vielmehr sollte er versuchen, mit einer Botschaft, die zu erreichen, die Norbert Hofer für nicht wirklich wählbar halten und überlegen, ungültig zu wählen oder gar nicht zur Wahl zu gehen. Denn genau ein Teil dieser Gruppe könnte am Wahltag den Unterschied zwischen 48 oder 52 Prozent für einen der beiden Kandidaten bedeuten. (Michael Brandtner, 3.5.2016)