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Die Ausbildung zum "Omni Cosmic Geistheiler Meister" ist um 4.000 Euro zu haben. Dafür beherrscht man dann aber auch die "Quanten Metamorphose" und die "philosophische Arithmetik".

Foto: Reuters/JONATHAN DRAKE

Am 10. Mai 1829 starb der englische Physiker Thomas Young. 41 Jahre zuvor, am 10. Mai 1788, wurde der französische Physiker Augustin Jean Fresnel geboren. Beide leisteten wichtige Beiträge zum Verständnis des Lichts. Young wies nach, dass die damals noch vorrangig vertretene Theorie Isaac Newtons, wonach Licht aus Teilchen besteht, einige Phänomene nicht erklären kann, und legte mit seinen Experimenten zur Interferenz von Lichtwellen die Grundlage für die Quantenmechanik des nächsten Jahrhunderts.

Fresnel ist als Erfinder der "Fresnel-Linsen" bekannt, die in Leuchttürmen überall auf der Welt eingesetzt wurden; die "Fresnel-Gleichungen" zur Beschreibung der Reflexion von Lichtstrahlen finden heute zum Beispiel bei der Erstellung von Computergrafiken ihre Anwendung.

Beide Männer haben intensiv mit und über das Licht gearbeitet. Als "Lichtarbeiter" sollte man sie aber dennoch nicht bezeichnen. Dieser Begriff ist fest in der Hand der Esoteriker und beschreibt dort eine seltsame Mischung aus Pseudomedizin, Geistheilung und Fantasyrollenspiel.

Licht- und Energiearbeit

Die Lichtarbeit beschäftigt sich mit einem ominösen "Lichtkörper", den jeder Mensch angeblich besitzen soll, mit "kosmischen Energien", der "Aura" und ähnlich vagen Konzepten, die im Rahmen einer "Energiearbeit" beeinflusst werden sollen. Wie zum Beispiel in der "Praxis für Lichtarbeit und Bewusstseinserweiterung" in Krems an der Donau, wo eine Ausbildung zum "Omni Cosmic Geistheiler" angeboten wird. Was wie eine Rolle aus einem Fantasyroman klingt, ist laut Kursbeschreibung nicht weniger als die Vermittlung von "Wissen für das neue Bewusstsein":

"Die Ausbildung vereint verschiedenste 'klassische' Techniken (wie Kinesiologie, Schamanismus, Heilwissen aus Atlantis, Numerologie, Quantenheilung ...), die dabei helfen, alte Blockaden, karmische Verstrickungen und Ähnliches der alten Zeit zu bearbeiten. Diese Techniken kommen bereits in einem erweiterten Bewusstsein und haben einen erweiterten Blick auf Zusammenhänge und Hintergründe."

Wer aber nun seine karmischen Verstrickungen mit Heilwissen aus Atlantis bearbeiten möchte, muss sich vom "Omni Cosmic Practitioner" über den "Omni Cosmic Geistheiler" bis zum "Omni Cosmic Geistheiler Meister" vorarbeiten. Dann hat man den "zwölften Grad der Einweihung" erreicht – vorausgesetzt, man hat die mehr als 4.000 Euro bezahlt (345 Euro pro Grad), die an Kursgebühren anfallen. Dafür beherrscht man dann aber auch die "Quanten Metamorphose" und die "philosophische Arithmetik" (worum auch immer es sich dabei handeln mag).

Schlechte Science-Fiction-Anleihen

Was mit all den Levels, Upgrades und pseudomagischen Fähigkeiten schon ziemlich nach einem (teuren) Live-Rollenspiel klingt, gleitet anderswo komplett in die Fantasy ab. Zum Beispiel bei "Lichtsprache: Die Zeitschrift für den Transformationsprozess". Dort hat man auf der zugehörigen Website genug Material für einen (schlechten) Science-Fiction-Film gesammelt. Angefangen hat demnach alles ganz harmlos in den 1980er-Jahren:

"Unsere Erde macht einen Transformationsprozess durch (...) Die Lichtarbeiter der ersten Welle erinnern sich noch, dass sie Ende der 1980er-Jahre etwas Entscheidendes erlebt haben und plötzlich oder allmählich ganz neue Gedanken und Interessen hatten. Andere erlebten ganz bewusst, wie am Tag der 'Harmonischen Konvergenz' am 16./17. August 1987 die Menschheit entschied, einen Evolutionssprung zu machen."

Energetische Störungen

Denn wir Menschen leiden anscheinend seit 12.000 Jahren (da versank nämlich Atlantis) unter einer mutierten DNA, die statt zwölf nur noch zwei Stränge besitzt. Deswegen können wir nach dem Tod unsere Dimension nicht mehr verlassen und stecken auf der Erde fest. Es kommt aber noch schlimmer: "[U]nser Planet wurde vor langer Zeit von der im Universum existierenden Echt-Zeit abgeschnitten und auf eine andere Zeitlinie geschickt."

Und noch dazu hat sich das gesamte Sonnensystem offenbar einem "Photonenring" genähert:

"[Er] liegt um die Plejaden herum, einem Sternenhaufen im Sternbild Stier. Es handelt sich bei ihm um einen Lichtring oder eine Lichtwolke. Der Kontakt mit diesem Ring verändert alle Strukturen auf unserem Planeten. Je näher wir ihm sind bzw. je mehr Photonenenergie auf uns einströmt, desto umfassender sind die energetischen Veränderungen, die der Photonengürtel mit sich bringt. Der Einfluss des Photonenringes löst zahlreiche Aufrüttelungen auf unserer Erde wie Überflutungen, Erdbeben, Vulkanausbrüche und Wetterkatastrophen aus, weil die Erde diese Energie nicht gewohnt ist und sich erst an sie anpassen muss."

Erlösung naht

Aber keine Sorge! Die wackeren Lichtarbeiter haben sich um alles gekümmert und ein "planetares Magnetgitter" gebaut:

"Es wurde vor einigen Jahren von der Kryon-Gruppe 'installiert' und wurde für die spirituelle Weiterentwicklung der Menschheit geschaffen. Das neue Magnetgitter verändert die Energien unseres Planeten, um die Voraussetzung dafür zu schaffen, in eine höhere Dimension aufzusteigen."

Kryon gehört übrigens zu den Promis bei der Lichtarbeit; er/es ist ein außerirdisches Engel-Überwesen, das telepathische Anweisungen und Ratschläge gibt. Die kann man natürlich erst nach Absolvierung einer passenden Ausbildung empfangen. Früher oder später werden wir aber eh alle zu Supermenschen:

"Später wird der Mensch hellfühlig, hellhörig und hellsichtig sein, telepathisch kommunizieren können, sich auf Telekinese, Teleportation, Materialisierung und Dematerialisierung verstehen und seinen Körper verjüngen können bzw. keinem Alterungsprozess mehr unterstehen. Er wird sogar das Kinderzeugen mit dem Bewusstsein steuern können."

Und wer nicht darauf warten will, lässt diesen "Lichtkörperprozess" einfach bei einem Lichtarbeiter (einschlägige Datenbanken liefern die Adressen von mehreren hundert "Therapeuten" überall in der Republik) beschleunigen. Oder schaut sich in der Fantasy/Science-Fiction-Abteilung des nächstens Buchgeschäfts um. Auch dort gibt es jede Menge Abenteuer in anderen Welten und Dimensionen. Viel billiger als bei den "Lichtarbeitern" und ohne die Gefahr, im Netz irgendwelcher Esoteriksekten zu landen ... (Florian Freistetter, 10.5.2016)