Die Bahnstadt von Südosten aus betrachtet: rechts im Bild der Kindergarten, dahinter die "SkyLabs". Im Bildzentrum ...

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... die allerersten Wohngebäude der Bahnstadt an der sogenannten "Schwetzinger Terrasse".

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Eines der Baufelder wurde an eine Baugruppe vergeben.

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Autofrei ist die Bahnstadt nicht, an der Straßenbahn wird gebaut.

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Das Bürogebäude "Stadttor" soll auf der grünen Wiese im Vordergrund ganz ähnlich nochmal gebaut werden.

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Ein aufgelassener Güter- und Rangierbahnhof in bester Lage direkt südlich des Hauptbahnhofs, 116 Hektar groß. Die Stadt Heidelberg im deutschen Bundesland Baden-Württemberg hat sich 2007 dazu entschlossen, hier eine Siedlung zu bauen, die ausschließlich aus Passivhäusern besteht.

Knapp zehn Jahre später ist die Bebauung weit fortgeschritten. Vom Bürogebäude "Stadttor" ganz im Süden aus betrachtet, reiht sich gen Nordwesten ein Wohnblock an den anderen. Hier leben nun schon 2600 Menschen, 6000 sollen es insgesamt werden.

Die erste Kindertagesstätte (Kita) war schon kurz nach der Eröffnung überfüllt, man hat deshalb etwas südlich davon, beim neuen Feuerwehrdepot, eine Container-Kita hingestellt. Eine dritte ist gerade in Bau, sie soll beim "Zollhofgarten" entstehen. Diese ehemaligen Güterhallen, später lange Jahre Heimat der Heidelberger Subkultur, werden von der Stadt Heidelberg gerade saniert. Neben dem Kindergarten sind hier auch Kultur und Gastronomie vorgesehen.

Wenig Forschung

Heidelberg ist eine weltberühmte Universitätsstadt, die Bahnstadt sollte deshalb auch zum "Wissensstandort" werden. Allerdings sind die Synergien noch nicht wirklich zu sehen. Ein großes Studierendenwohnheim gibt es zwar, "aber universitäre Einrichtungen sind leider noch nicht so recht aufgesprungen", bedauert Robert Persch vom Heidelberger Umweltamt, das die Entwicklung der Bahnstadt lenkt.

Auch bei den "SkyLabs", deren neunstöckiger Turm das bis dato höchste Gebäude ist, hat sich die geplante Labornutzung nicht realisieren lassen, die Flächen werden als Büros genutzt. "Die Labornutzung war wegen des notwendigen häufigen Luftaustauschs sehr schwierig umzusetzen", sagt Persch. Als Büroobjekt sei es aber voll vermietet.

Bauherr ist die Max-Jarecki-Stiftung, gegründet von Henry Jarecki, der in den 1950er-Jahren in Heidelberg Medizin studiert hatte, genauso wie sein Vater Max Jarecki. Nach ihm ist in der Bahnstadt eine Straße benannt, sie führt von den "SkyLabs" Richtung Süden zur übervollen ersten Kita. Die Stiftung hat Optionen auf weitere sieben Baufelder und wird demnächst wieder bauen, sagt Persch. Im Endeffekt soll rund um die "SkyLabs" ein 5,5 Hektar großer "Bahnstadt-Campus" entstehen.

Klare Vorgaben

Wer hier bauen will, muss sich an strikte Regeln halten, die in städtebaulichen Verträgen festgezurrt werden: Es muss ein Passivhaus sein, geplant mit dem Passivhaus-Projektierungspaket (PHPP) des Passivhausinstituts Darmstadt. Das Umweltamt überprüft die Einreichungen. "Wir haben auch schon so manche Genehmigung nicht erteilt", sagt Persch.

Nicht immer muss aber mit zertifizierten Bauteilen bzw. Materialien gebaut werden, manchmal kann auch ein Kompromiss gefunden werden – etwa dann, wenn ein Bauherr unbedingt die Wärmedämmung im Erdgeschoß mit rotem Sandstein ummanteln will. "Der Hersteller fand eine Lösung, mit der wir einverstanden waren."

Dass keine Fotovoltaikanlagen vorgeschrieben wurden, sieht Persch als Versäumnis an. "Das würden wir jetzt anders machen."

Erste Fertigstellungen 2012

Die Bauträger, darunter auch die städtische GGH, bekommen eine Förderung von 50 Euro je Quadratmeter Wohnnutzfläche. Die ersten Wohnbauten wurden 2012 fertiggestellt. Für die jüngste Passivhaustagung in Darmstadt hat man die ersten Bewohner über ihre Wohnzufriedenheit befragt.

Und auch der Heizwärmebedarf der Baufelder mit Wohnnutzung (mehr als 1000 Wohnungen mit 75.000 m² Nutzfläche) wurde evaluiert. Dabei erhob man zunächst mithilfe des Fernwärmeheizwerks der Bahnstadt den Warmwasserverbrauch von vier Sommermonaten, berechnete einen Mittelwert und rechnete diesen aufs Jahr hoch.

Dieser Wert wurde dann vom gesamten Energieverbrauch abgezogen. Für 2014 errechnete man so im Schnitt über alle Wohngebäude einen Heizwärmebedarf von 14,9 kWh/m²/Jahr, 2015 kam ein etwas höherer Wert von 16,4 kWh heraus. Die meisten Gebäude blieben unter den 15 kWh, bei denen man in Darmstadt von einem Passivhaus spricht. Für einzelne Ausreißer sorgten Häuser, die im Messjahr bezogen wurden.

Einkaufszentrum geplant

Die Bebauung des 116 Hektar großen Areals geht weiter, ein Einkaufszentrum samt Kino ist geplant, eine Straßenbahnlinie wird demnächst durch die Bahnstadt verlegt. Das macht die Bahnstadt noch attraktiver, und deshalb steigen auch die Preise: Anfangs zahlte man für eine Eigentumswohnung ab 2800 Euro pro Quadratmeter, mittlerweile meist zwischen 3500 und 4000 Euro. (Martin Putschögl, 22.5.2016)