Genetisch verursachter Brustkrebs verläuft üblicherweise äußerst aggressiv. Nun hat eine junge Wissenschafterin einen Wirkstoff entdeckt, der zumindest im Tierversuch den Ausbruch der Erkrankung verhindern kann.

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Wien – Eine Forscherin am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) in Wien hat entdeckt, dass genetisch bedingter Brustkrebs durch die Blockade eines Knochengens weitgehend verhindert werden kann. Ein bereits erhältliches Medikament könnte rasch verfügbar sein – als erstes Brustkrebspräventionsmedikament.

Eine von acht Frauen wird im Lauf ihres Lebens mit der Diagnose Brustkrebs konfrontiert. Zu den Hauptursachen zählen die Einnahme künstlicher Hormone und andere Umwelteinflüsse. Brustkrebs kann aber auch familiär vererbt werden, häufig durch eine Mutation des Gens BRCA1 (BReast CAncer).

Die bekannteste Frau mit einer BRCA1-Mutation ist die US-Schauspielerin Angelina Jolie. Sie hatte sich im Jahr 2013 öffentlich zur Entfernung ihrer beiden Brüste bekannt. Tatsächlich haben Frauen mit einer Mutation des BRCA1-Gens ein dramatisch hohes Lebenszeitrisiko für Brustkrebs von bis zu 80 Prozent. Dazu kommt, dass der Krebs oft in jüngeren Jahren und in einer sehr aggressiven Form auftritt. Das Durchschnittsalter der Betroffenen liegt bei 40 Jahren.

Unkontrolliertes Wuchern

Im Jahr 2010 entdeckte eine Forschergruppe um Josef Penninger, den wissenschaftlichen Direktor des IMBA, dass Sexualhormone über zwei Proteine des Knochenstoffwechsels namens RANK und RANKL Brustkrebs auslösen können. RANK/RANKL übersetzen die Information der Sexualhormone und senden den Brustzellen ein Signal, das diese zum Wachstum anregt. Das passiert in jeder Frau in der Schwangerschaft und während des Menstruationszyklus. Überschießt das Signal jedoch, kann es zu unkontrolliertem Wuchern der Brustzellen kommen.

Die Wissenschafterin Verena Sigl aus Penningers Forschungsgruppe machte nun die Entdeckung, dass RANKL auch bei genetisch bedingtem Brustkrebs durch ein mutiertes BRCA1-Gen der entscheidende Faktor für das Ausbrechen von Krebs ist. In ihrer Studie verglich sie Mäuse, die eine Mutation am BRCA1-Gen trugen. In einer Linie waren RANK/RANKL aktiv. In der Brust entwickelten sich Karzinome und höhergradig maligne Veränderungen, die Vorstufen des Karzinoms. In der anderen Linie aber, in der RANK genetisch blockiert war, konnten bei keiner einzigen Maus Karzinome entdeckt werden, und auch sonst kam es deutlich seltener zu bösartigen Veränderungen.

Um die Übertragbarkeit ihrer Ergebnisse auf den Menschen zu überprüfen, isolierten die Wissenschafter gemeinsam mit Forschern der Med-Uni Wien und aus Toronto Brustgewebezellen von Frauen, die sich aufgrund ihrer BRCA1-Mutation einer präventiven Brustamputation unterzogen hatten. Nachdem RANK blockiert wurde, zeigte sich auch in der menschlichen Zellkultur, dass Wachstum und Ausbreitung der Brustgewebezellen stark vermindert waren. Diese Beobachtung bestätigte das enorme Potenzial einer Anti-RANKL-Behandlung für die Krebsprävention beim Menschen. Außerdem zeigten die Forscher, dass genetische Varianten von RANK mit höherem Brustkrebsrisiko einhergehen – getestet bei mehr als 15.000 Frauen mit BRCA1-Mutationen.

Medikament mit geringen Nebenwirkungen

"Unsere Erkenntnis ist auch deshalb so spannend, weil es bereits ein Medikament gegen RANKL auf dem Markt gibt: Denosumab. Es ist ein Antikörper mit sehr geringen Nebenwirkungen, der fest an RANKL bindet und dadurch seine Aktionsfähigkeit hemmt", erläutert Sigl. Derzeit wird das Medikament bei Knochenmetastasen und bei Osteoporose verschrieben, nach der Entdeckung von Sigl könnte es zur Brustkrebsprävention bei BRCA1-Mutationsträgerinnen eingesetzt werden.

"Eine Brustkrebsprävention mittels RANKL-Blockade könnte nach diesen Ergebnissen möglich sein", ist Penninger überzeugt. Auch deshalb, weil es ein bereits zugelassenes Medikament gibt und dieses bereits erfolgreich von Brustkrebsspezialisten in Wien eingesetzt wird.

Der nächste Schritt sind klinische Studien, um die Wirksamkeit beim Menschen bestätigen zu können. Danach könnte jede Frau, die positiv auf eine BRCA1-Mutation getestet ist, Denosumab zur Prävention einnehmen, um ihr dramatisch erhöhtes Brustkrebsrisiko zu senken. Unter diesem Gesichtspunkt wären schwerwiegende Eingriffe wie eine doppelte Brustamputation im Fall von Angelina Jolie vermeidbar.

Offene Tür zur Brustkrebsprävention

Penninger sieht sogar noch ein breiteres Anwendungsspektrum: "Wir haben ja gezeigt, dass RANK/RANKL auch in sexualhormonabhängigem Brustkrebs eine kritische Rolle spielen. Wenn das Prinzip dann bei Hochrisikopatientinnen funktioniert, könnte es vielleicht auch für alle anderen Frauen wirksam sein. Die Tür zur Brustkrebsprävention haben wir nach diesen Erkenntnissen jedenfalls geöffnet, und die notwendigen klinischen Studien können aufgrund des zugelassenen Medikaments sehr rasch beginnen."

Die vorliegende Arbeit ist das Ergebnis einer internationalen Kooperation, an der neben Wissenschaftern aus Österreich (IMBA, AKH Wien) auch Forscher aus Baltimore, Toronto, Kanada und Barcelona teilgenommen haben. (APA, red, 31.5.2016)