1997 verstarben in Österreich fast 43.000 Menschen an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung, 2014 waren es mit 33.137 deutlich weniger – und das bei größeren Bevölkerungszahlen und höherer Lebenserwartung. "Für den Anstieg der Lebenserwartung in Mitteleuropa sind die Fortschritte in der Kardiologie maßgeblich mitverantwortlich. Untersuchungen zufolge sind die Beiträge der Kardiologie hier sogar höher als die jedes anderen Faches der Medizin", sagt Bernhard Metzler von der Universitätsklinik für Innere Medizin und Sekretär der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG).

Erreicht ein Infarkt-Patient das Krankenhaus lebend, ist die Wahrscheinlichkeit, den Infarkt zu überleben, in den vergangenen 30 Jahre signifikant angestiegen: Damals starben noch fast 20 Prozent dieser Akutpatienten, heute sind es weniger als fünf Prozent. Metzler: "Der Mortalitäts-Rückgang ist bei besonders kranken und alten Patienten am größten."

Wer heute einen Herzinfarkt erleidet, hat nicht nur dank der Entwicklungen in der Akutkardiologie bessere Chancen, unmittelbar das Ereignis zu überleben. Er kann bei konsequenter Sekundärprävention auch auf eine weitgehend normale Lebenserwartung hoffen. Galt es vor einigen Jahren noch als fast sicher, dass Herzinfarkt-Überlebende einen weiteren Infarkt erleiden, so kann dieses Risiko heute auf die Werte Gesunder gesenkt werden. "Eine aktuelle Studie zeigt, dass Patienten, so sie die ersten sechs Jahre nach dem Herzinfarkt überleben, danach ein höheres Risiko haben, an anderen Erkrankungen zu versterben, als an einem neuerlichen Herzinfarkt", sagt Metzler.

Ursachen der höheren Überlebensrate

Die Gründe für die höhere Überlebensrate eines Herzinfarkts liegen zu einem guten Teil in einer optimierten Akutversorgung durch Verbesserungen der strukturellen und therapeutischen Maßnahmen. Durch das immer bessere Zusammenspiel zwischen Haus- bzw. Notärzten und dem nächsten Krankenhaus mit einem Herzkatheter-Platz wurde die Zeit deutlich verkürzt, in der der Herzmuskel nach einem Herzinfarkt zu wenig oder kein Blut bekommt. "Das gilt insbesondere für die ‚Pforte-Ballon-Zeit‘ im Krankenhaus, also der Zeitraum von der Einlieferung bis zur Behandlung", so Prof. Metzler. "Verbesserungsbedarf gibt es allerdings noch in der Zeit vor der Notaufnahme, denn nach wie vor stirbt etwa ein Drittel aller Herzinfarktpatienten vor der Einlieferung ins Krankenhaus."

An zentraler Stelle bei den Fortschritten der Kardiologie ist die Herzkatheter-Technik zu nennen, die nicht nur schonende Untersuchungen, sondern auch Eingriffe ermöglicht, zum Beispiel eine interventionelle Wiedereröffnung verschlossener Blutgefäße mittels Notfall-Kathetereingriff. Auch das dabei verwendete Material wird immer besser. "Das betrifft vor allem Stents, deren Weiterentwicklung ein echtes High Tech Forschungsgebiet ist", sagt Metzler. "Neue Modelle weisen ein dünneres Profil und immer bessere Beschichtungen auf. Auch Stents, die sich nach einiger Zeit von selbst wieder auflösen, werden in Studien untersucht."

Mittels Katheter-Techniken sind nicht nur interventionelle und ablative (bei Vorhofflimmern) Eingriffe möglich, es können auch bestimmte Herzschrittmacher implantiert werden. Seit einiger Zeit besteht, in Ergänzung der Klappenchirurgie, die Möglichkeit, mittels Katheter schonend die Aortenklappe zu ersetzen (TAVI) und undichten Mitralklappen zu behandeln.

Nach einem mittels Herzkatheter versorgten Infarkt müssen Patienten über längere Zeit Blutgerinnungs-reduzierende Medikamente einnehmen. Metzler: "Auch auf diesem Gebiet haben Neuentwicklungen in den vergangenen Jahren die Ergebnisse verbessert."

Wissenschaftliche Zusammenhänge

Einen wichtigen Beitrag zur Reduktion der Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Krankheiten leistet die Prävention. Primärprävention bedeutet gesunde Ernährung, kein starkes Übergewicht, ausreichende Bewegung, nicht Rauchen. Hier leistet die Kardiologie wichtige Beiträge, indem sie zum Beispiel die Zusammenhänge zwischen dem Passivrauchen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wissenschaftlich erforscht und öffentlich auf die Ergebnisse aufmerksam macht. Metzler: "Zum Beispiel zeigt eine aktuelle deutsche Untersuchung, dass Passivrauchen das Risiko, eine koronare Herzerkrankung zu entwickeln, um rund ein Viertel erhöht."

In der Sekundärprävention geht es darum, schlimmeren Schaden zu vermeiden, nachdem bereits eine Erkrankung wie ein Herzinfarkt aufgetreten ist. Nach einem Herzinfarkt, zeigen aktuelle Studien, senkt die tägliche Einnahme von niedrig dosiertem Aspirin die jährliche Sterblichkeit um rund 13 Prozent. Statine senken die Mortalität um 25 Prozent, Blutdruckmedikamente wie ACE-Hemmer um 22 Prozent, Betablocker um 23 Prozent. Lebensstilmodifikation wie als Rauchen aufgeben, Gewicht abnehmen, gesunde Ernährung und körperliches Training bewirken einen Effekt in der Größenordnung von mindestens 20 Prozent.

Neue Herausforderungen

Trotz aller Fortschritte der Herz-Medizin sind Herz-Kreislauf-Krankheiten mit 42 Prozent noch immer die Todesursache Nummer eins. Zum Vergleich: 26 Prozent der Menschen in Österreich versterben an Krebs. Die Herausforderungen an die moderne Kardiologie sind also noch immer hoch. Herzkrankheiten mit weiterhin steigenden Fallzahlen sind die Herzinsuffizienz, Herzklappen-Erkrankungen sowie Herzrhythmusstörungen. "Dieser Trend hat zum Teil paradoxer Weise gerade mit den Fortschritten der Herzmedizin zu tun: Immer mehr Menschen überleben einen akuten Herzinfarkt, erkranken aber später an einer Herzschwäche", sagt Metzler. "Zum anderen ist der Trend Ausdruck der steigenden Lebenserwartung: Das Risiko für eine Herzinsuffizienz, eine Herzklappen- oder Herzrhythmus-Erkrankung steigt mit dem Älterwerden überproportional stark an."

Zu wünschen ist auch, dass bestehende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten von möglichst vielen Menschen genützt werden, die davon profitieren können, sagt Metzler. Dass zum Beispiel eine konsequentere Diagnostik von Menschen mit Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen, sowie eine konsequente Behandlung der neu entdeckten Diagnosen zu einer weiteren Reduktion der Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen führt. (red, 31.5.2016)