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Die Idee vom Hund als Begleiter des Menschen war offenbar so zwingend, dass sie nicht nur einmal geboren wurde.

Foto: Reuters / Tim Wimborne

Oxford/Wien – Wie eng die Beziehung zwischen Mensch und Hund ist, fanden kürzlich US-Psychologen auf gänzlich unerwartete Weise heraus. Sie wollten eigentlich untersuchen, wie und warum uns gelegentlich der falsche Vorname herausrutscht, wenn wir einen Familienangehörigen ansprechen. Bei einer Umfrage unter 1700 Personen zeigte sich, dass im bunten Mix der Versprecher verblüffend oft auch die Namen der jeweiligen Familienhunde fielen. Andere Haustiere hatten keinen derartigen Effekt – die Forscher der Duke University zogen daraus den Schluss, dass wir Hunde unbewusst als "Mitglieder unserer Gruppe" betrachten.

Diese enge Beziehung reicht mindestens 15.000 Jahre zurück. Es könnte laut verschiedenen DNA-Untersuchungen auch gut doppelt so lange sein, aber so alt sind zumindest die frühesten archäologischen Funde im westlichen Eurasien, die eindeutig Hunden und nicht mehr Wölfen zugeordnet wurden. Der Wolf ist damit das einzige Tier, das der Mensch domestiziert hat, noch bevor er sich niederließ und Landwirtschaft betrieb: ein weiterer Punkt, der die Sonderrolle des Hundes unterstreicht.

Zwei Orte, eine Idee

Nur geringfügig jünger, nämlich etwa 12.500 Jahre alt, sind die frühesten archäologischen Belege für Hunde in Ostasien. Daraus entspann sich eine jahrelange wissenschaftliche Debatte darüber, an welchem Ende des eurasischen Kontinents der Homo sapiens ursprünglich auf die Idee verfiel, Wölfe von Nachbarn zu integrierten Gruppenmitgliedern zu machen. Ein internationales Forscherteam präsentiert nun im Fachmagazin Science eine salomonische Lösung: Beide Seiten hätten recht, der Wolf sei nämlich zweimal domestiziert worden.

Das Team unter Leitung der Uni Oxford stützt sich für seine Aussagen auf ein breites Sample. Untersucht und miteinander verglichen wurden 59 Sequenzen mitochondrialer DNA von 3000 bis 14.000 Jahre alten Hunden, das weitgehend vollständige Genom eines Hundes aus dem jungsteinzeitlichen Irland sowie die genetischen Daten von über 2500 heutigen Hunden verschiedenster Rassen, die in früheren Studien erhoben worden waren.

Der Vergleich unter Einbeziehung von Mutationsraten brachte die Forscher um Erstautor Laurent Frantz zum Schluss, dass die heutigen Hunde von zwei verschiedenen Wolfspopulationen abstammen. Eine davon lebte in Europa oder dem Nahen Osten, die andere in Ostasien. Die anfängliche Trennung wurde aber später – irgendwann im Zeitraum vor 14.000 bis 6400 Jahren – verwischt. Im Gefolge menschlicher Migrationen kamen dann fernöstliche Hunde auch nach Europa und verdrängten zum Teil die ursprüngliche altsteinzeitliche Hundepopulation des Westens.

Heute weisen die meisten Hunderassen laut der Studie eine gemischt westlich-östliche Ahnenschaft auf: Das könnte der Grund dafür sein, dass man so lange keinen Konsens fand, woher der Hund denn nun wirklich stammt, fügte der an der Studie beteiligte Greger Larson hinzu.

Larson betont, wie selten der Akt der Domestizierung in der menschlichen Geschichte eigentlich war – kaum drei Dutzend Tierspezies wurden ihm so weit unterzogen, dass sie tatsächlich eigene Haustierformen hervorbrachten. Wenn eine Tierart also gleich zweimal unabhängig voneinander zum Ziel wurde, dann sei dies etwas Besonderes. Allerdings nichts Einzigartiges, denn noch ein weiteres Tier inspirierte mit seinen Vorzügen die Steinzeitmenschen an verschiedenen Orten zur Domestizierung, wie man mittlerweile weiß: das Schwein. (Jürgen Doppler, 3.6.2016)