Die Darmwelt von innen: Bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen können sämtliche Abschnitte betroffen sein.

Sagen wir einmal so: Jeder hat in seinem Leben schon einmal Bauchweh gehabt, weiß was Durchfall ist und wie unangenehm all das sein kann. Deshalb zum Arzt gehen? Das machen die wenigsten, auch dann nicht, wenn die Beschwerden über Wochen andauern.

Dabei könnten die lang anhaltenden Bauchkrämpfe, der Durchfall und die Blähungen ein Hinweis auf Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa sein. Zwischen 0,5 und ein Prozent der Bevölkerung leidet an einer sogenannten Chronisch Entzündlichen Darmerkrankung (CED). Das sind 64.000 bis 80.000 Patienten in Österreich. Die Dunkelziffer ist hoch.

Nach Angaben des ÖBIG (Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen) hat in den letzten zehn Jahren die Anzahl der Patienten mit den Diagnosen CED in stationärer Betreuung um rund 50 Prozent zugenommen (grundsätzlich benötigen zehn Prozent aller Patienten mit Diagnose CED einen Krankenhausaufenthalt während des ersten Jahres). Oft geht die CED mit einer anderen Erkrankung einher. Die Patienten bei Diagnosestellung sind in den letzten Jahren immer jünger geworden.

Unter der Gürtellinie

Die wenigsten sprechen darüber. "Wer mehr als vier Wochen an sehr dünnflüßigem Stuhlgang leidet, sollte unbedingt zum Arzt", sagt Harald Vogelsang, Leiter der Spezialambulanz für CED am Wiener AKH. Er kennt das Spektrum der Beschwerden. "Patienten, die an diesen Krankheiten leiden, haben oft nicht zurückhaltbaren Durchfall und Krämpfe, die Folgen der Durchfälle sein, aber auch von Engstellen im Darm herrühren können. Einige haben Fieber, Gelenkschmerzen, Haut- und Leberentzündungen, manche leiden an Müdigkeit und Gewichtsverlust."

Bei der Colitis Ulcerosa ist meist der Dickdarm betroffen, beim Morbus Crohn kann vom Mund bis zum After der ganze Verdauungstrakt entzündet sein. Die Krankheit selbst ist genetisch bedingt, sie muss also nicht, kann aber ausbrechen. Am häufigsten treten die ersten Beschwerden der CED zwischen 14 und 30 Jahren auf, ausgelöst durch Umweltfaktoren wie Rauchen, Stress, Infektionen, Antibiotika in der Kindheit oder übermäßige Hygiene. Industriestaaten wie Österreich sind stärker betroffen als Staaten der Dritten Welt.

Breites Beschwerde-Spektrum

Der Beginn der Krankheit ist meist heftig, im weiteren Verlauf ist mit "Schüben" zu rechnen. Die Erkrankung verläuft sehr unterschiedlich. Bei manchen Patienten ist eine Operation notwendig, manche brauchen nur sporadisch eine Behandlung. Es gibt auch Patienten, die starke Schmerzen haben und andere, die die Diagnose CED bekommen, obwohl sie nicht einmal unter den an sich typischen lang anhaltenden Durchfällen leiden.

Vogelsang rät im Sinne einer raschen Diagnose zur Bestimmung des Entzündungsbiomarkers Calprotectin im Stuhl: "Leider zahlt die Krankenkasse die Calprotectin-Bestimmung oft nicht, sie ist aber ein wichtiger Parameter, um CED von funktionellen, also stressbedingten Darmerkrankungen zu unterscheiden und beschleunigt so den Weg zur richtigen Behandlung." Auch Darmspiegelungen und Biopsien können zur Bestimmung von CED notwendig sein.

Therapeutischer Stufenplan

Steht die Diagnose fest, kann mit einer Therapie begonnen werden. Allerdings: "Man kann bei keinem Patienten sicher voraussagen, welche Medikamente anschlagen werden", sagt Vogelsang. Ziel ist eine Abheilung der Entzündung. In der Praxis ist eine mehrstufige Therapie, bei der vor allem mit den Nebenwirkungen der Medikamente "jongliert" werden muss.

Präparate mit Kortison sind vor allem bei jungen Patienten das Mittel der Wahl, denn sie hemmen erst einmal die Entzündung. Wegen der starken Nebenwirkungen bei langer Einnahme (wie zum Beispiel Osteoporose) bieten diese aber keine dauerhafte Lösung. Seit ein paar Jahren werden Biologika verabreicht, die ins Immunsystem eingreifen und auf diesem Weg wirken. In besonders schweren Fällen müssen Teile des Darms entfernt und manchmal auch ein künstlicher Darmausgang (Stoma) gelegt werden.

Diagnose und Therapie sind langwierige Prozesse, bestätigt auch Evelyn Groß von der Österreichischen Vereinigung für Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa (ÖMCCV). "Besonders belastend und frustrierend für Patienten ist, wenn sie nicht ernst genommen werden." Als Reaktion versuchen sich viele mit den Beschwerden abzufinden, ziehen sich zurück, richten ihr Leben so ein, dass zu jedem Zeitpunkt eine Toilette in unmittelbarer Umgebung ist. Darunter kann auch die Arbeit leiden. Groß empfiehlt deshalb einen möglichst offenen Umgang.

Wohin wenden?

Aufklärung gibt es unter anderem auch im Internet: Auf der Plattform Darmplus findet man einige Informationen zu Symptomen und Tests, die als Vorbereitung zu einem Gespräch mit dem Hausarzt nützlich sind. Informationen über die CED gibt es auch auf Auf gesundheit.gv.at. Die Österreichische Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa Vereinigung setzt vor allem auf Erfahrungsaustausch und Entstigmatisierung der Krankheiten.

In den meisten Bundesländern gibt es Selbsthilfegruppen unter anderem für Leute mit künstlichem Darmausgang (Stoma), wie zum Beispiel die Pouch-Gruppe.

Viele Spezial-Ambulanzen haben bereits eine speziell ausgebildete "CED-Schwester", die vor allem bei Ernährung, Medikamenten und Unsicherheiten helfen. (Johanna Schwarz, 10.6.2016)