Wenn Jean-Luc Godard einen Vertrag für einen Film unterschreibt (auf einer Serviette, so will es die Legende), dann sollte sich der Produzent immer vorsehen. In diesem Fall der berühmte Menahem Golan, der bei Godard einen King Lear bestellte, nach einem Drehbuch von Norman Mailer, der auch gleich zu Beginn seinen Schlüssel zu der Tragödie bekanntgibt: "The mafia is the only way to do King Lear."

Solche Behauptungen von Exklusivität zerschellen an Godard, dessen ganzes Werk darauf beruht, dass es immer endlos viele denkbare Wege gibt – zumal bei einem klassischen Text. Bei Godard bekommt man stets so viel Interpretation, dass sich der Sinn in die Fugen der Möglichkeiten verkriechen kann. "King Lear: A Study" ist eines von vielen Inserts im Film, mit denen er die Anmutung zurückweist, er könnte die Geschichte vom König mit den drei Töchtern auf eine nachvollziehbare Weise "umsetzen".

Schwindelnder Grund

King Lear ist selbstreflexiv nicht nur in der für Godard typischen essayistischen Form, sondern deutlicher noch, weil es hier eben um eine Klassikeradaption geht, die sich selbst verfehlt – man könnte sagen, dass Godard dem kulturellen Prinzip ständiger (Neu-)Deutung den Boden entzieht, und auf dem schwindelnden Grund treibt er sein Spiel, in dem immer noch Reste des ursprünglich intendierten konventionellen Projekts erkennbar sind.

Woody Allen hat einen Auftritt als Schnittmeister, womit der typische Shakespeare-Sidekick auch dabei wäre. Peter Sellars spielt einen "fünften" Shakespeare, der nach Spuren der literarischen Tradition sucht. Godard selbst hat den besten Auftritt: zuerst aus dem Off mit bedenklich benebelter Zunge, dann als Fürst Kabelsalat, ein Rastafari der Kirche der letzten Tage des heiligen Grals der menschlichen Kultur. (reb, 10.6.2016)