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So könnte Lucy einmal ausgesehen haben. Unser Bild von ihren Zeitgenossen ist weit weniger deutlich.

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Zahn- und Kieferfragmente von A. deyiremeda. Die Spezies dürfte zur selben Zeit in der Afar-Region gelebt haben wie Lucy.

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Gangart im Vergleich: Lucy, ein Schimpanse und ein moderner Mensch.

California Academy of Sciences

Cleveland – Ihre Entdeckung in Äthiopien im Jahr 1974 war eine Sensation – und ein Meilenstein in der Paläoanthropologie: Die 3,2 Millionen Jahre alten Überreste von Lucy, der bis heute bekanntesten Vertreterin der Vormenschengattung Australopithecus afarensis, zeigen eindeutige Anpassungen an den aufrechten Gang.

Doch war Lucy alleine? Die Frage, ob zu dieser Zeit auch schon andere Vormenschenarten existierten, wurde lange Zeit kontrovers diskutiert. Den einen erschienen weitere Funde aus Ostafrika als Belege für eine frühe Koexistenz mehrerer Spezies, andere hielten sie wiederum lediglich für lokale Varianten des Australopithecus afarensis. Die Beschreibungen von Australopithecus bahrelghazali im Jahr 1996 sowie von Kenyanthropus platyops 2001 als eigenständige Arten heizten die Debatte weiter an.

Nicht ob, sondern wie

Erst im Vorjahr berichteten Forscher um Yohannes Haile-Selassie vom Naturhistorischen Museum Cleveland in "Nature" von einer weiteren Australopithecus-Spezies, die sich räumlich und zeitlich mit "Lucys" Artgenossen überschnitten haben dürfte: Australopithecus deyiremeda. Nun legt Haile-Selassie gemeinsam mit Stephanie Melillo (Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig) in "PNAS" einen Übersichtsartikel zum homininen Fossilbestand des Pliozäns aus Äthiopien, Kenia und dem Tschad vor.

"Es ist heute offensichtlich, dass mehrere Hominini-Arten zu Lucys Zeiten koexistierten", schreibt Haile-Selassie in einer Aussendung. "Die Frage ist nun nicht mehr, ob Australopithecus afarensis der einzige in der Region war, sondern wie diese Arten miteinander verwandt waren und die bestehenden Ressourcen nutzten."

Dabei komme dem Grabungsgebiet Woranso-Mille im westlichen Zentrum der Afar-Region, etwa 360 Kilometer nordöstlich von Addis Abeba, eine herausragende Bedeutung zu. "Die dortigen Funde zeigen, dass mindestens zwei, wenn nicht sogar drei Spezies mit unterschiedlichen Bewegungsapparaten und Ernährungsgewohnheiten zur gleichen Zeit in geografischer Nähe gelebt haben müssen", so Haile-Selassie.

Weiter graben

Doch wie konnten diese Vormenschen in dem relativ kleinen Gebiet koexistieren? Wie teilten sie die vorhandenen Ressourcen auf? Mögliche Antworten darauf sucht auch die Paläobotanikerin und Ökologin Denise Su, Koautorin des Artikels. Doch bisher mangle es an Nachweisen für eine ökologische Vielfalt. "Was wir finden, erweitert unser Wissen, wirft aber gleichzeitig immer neue Fragen auf."

Das gilt auch für die homininen Überreste, die leider bisher nie wieder so umfangreich und gut erhalten waren wie in Lucys Fall. Melillo: "Wir wissen viel über das Skelett von Australopithecus afarensis, aber die Anatomie der anderen Spezies aus dem Pliozän ist größtenteils unbekannt." Wirkliche Antworten können nur neue Funde geben. Melillo: "Das macht jede Entdeckung umso spannender." (dare, 13. 6. 2016)