Computersimulation: Wenn zwei Schwarze Löcher kollidieren, breiten sich Gravitationswellen aus. Auf der Erde konnte nun zum zweiten Mal ein Signal eines solchen Ereignisses gemessen werden.

Foto: MPI für Gravitationsphysik / W. Benger

In die Falle ging es den Laser-Interferometer Gravitationswellen-Observatorien bei Livingston, Louisiana...

Foto: LIGO Laboratory

... und in Hanford, Washington.

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San Diego/Wien – Das heurige Wissenschaftsjahr begann mit einer Sensation: Im Februar gaben Physiker des Gravitationswellen-Observatoriums Ligo die erste Messung von Gravitationswellen bekannt. Dieser direkte Nachweis von Störungen in der Struktur von Raum und Zeit bestätigte die Vorhersage von Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie und ist nicht weniger als ein Meilenstein in der Geschichte der Astronomie.

Was die Weltöffentlichkeit damals aber nicht wusste: Während die Forscher das Signal präsentierten, das sie im September 2015 gemessen hatten, analysierten sie bereits Messungen weiterer Gravitationswellen, die am 26. Dezember 2015 die Erde erreicht hatten.

Kein Entkommen

Dass es sich dabei tatsächlich ebenfalls um Gravitationswellen handelt, die bei der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher entstanden sind, könne nun mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,99999 Prozent bestätigt werden, wie die Ligo-Forschungskollaboration am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in San Diego bekanntgab. Die Resultate erscheinen im Fachblatt "Physical Review Letters".

Schwarze Löcher können aus massereichen Sternen am Ende ihrer Entwicklung entstehen. Ihre Gravitation ist so stark, dass aus ihrem Raumbereich weder Licht noch Materie nach außen dringen kann. Aus Doppelsternsystemen, durch gegenseitige Anziehung oder Galaxienverschmelzungen können sich sogenannte binäre Schwarze Löcher entwickeln, also Paare, die einander umkreisen. Bevor sie letztlich zu einem einzigen Giganten verschmelzen, beschleunigt sich ihre Rotation immer mehr – und dabei verlieren sie Energie, die in Form von Gravitationswellen ausgesendet wird.

Schwächer, aber länger

Die nun präsentierten Daten stammen von zwei Schwarzen Löchern mit acht- und 14-facher Sonnenmasse, die in 1,4 Milliarden Lichtjahren Entfernung von der Erde kollidierten. Das Signal war wesentlich schwächer, dafür aber länger als jenes vom September, das auf die Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher mit 29 und 36 Sonnenmassen zurückging. Diesmal konnten die Gravitationswellen rund eine Sekunde lang gemessen werden.

Eingefangen wurde das Signal abermals an den Ligo-Zwillingsdetektoren in Livingston (Louisiana) und Hanford (Washington). Dort werden Laserstrahlen in Teilstrahlen aufgespaltet und in zwei L-förmig aufeinander stehende, exakt gleich lange Röhren geleitet. An deren Ende werden die Lichtwellen von einem Spiegel reflektiert und zum Ausgangspunkt zurückgeworfen. Im Normalfall müssten sie sich aufheben. Verzerrt jedoch eine Gravitationswelle die Raumzeit, variiert die Länge der Röhren minimal – und die Physiker haben ein Signal.

Österreichische Forscher beteiligt

Unter den mehr als tausend an Ligo beteiligten Wissenschaftern sind auch fünf gebürtige Österreicher: Sascha Husa (Universität der Balearen in Palma de Mallorca), Reinhard Prix, (Max Planck Institut für Gravitationsphysik in Hannover), Michael Pürrer (Max Planck Institut für Gravitationsphysik in Potsdam), Patricia Schmidt (California Institute of Technology in Pasadena) und Gernot Heißel (Universität Cardiff).

An der neuesten Entdeckung sind die österreichischen Forscher vor allem durch Simulationsmodelle verschmelzender Schwarzer Löcher beteiligt. Um das Signal einer solchen Kollision identifizieren zu können, muss zuerst berechnet werden, wie ein Signal von Schwarzen Löchern verschiedener Massen und Rotationsgeschwindigkeiten aussehen würde. Husa, Pürrer und Schmidt entwickelten dazu Computermodelle.

"Das zentrale Problem dabei ist, dass man nicht Objekte berechnet, die sich in der Raumzeit bewegen, sondern dass die Raumzeit selbst dynamisch ist, wie eine Flüssigkeit", sagt Husa zum STANDARD. "Das führt unter anderem dazu, dass viele Methoden, die für ähnlich aussehende Gleichungen gut funktionieren, instabil sind – die Computercodes verhalten sich wie ein Kartenhaus, das bei jeder Störung zusammenbricht."

Neuer Blick ins All

Freilich war der Sensationswert bei der allerersten Messung von Gravitationswellen höher, doch die Relevanz neuer Signale sei enorm, sagt Husa. "Astrophysiker wollen durch die Beobachtung von Gravitationswellen lernen, wie Schwarze Löcher entstehen, dazu müssen wir deren 'Bevölkerungsstruktur' im Universum verstehen. In diese Richtung haben wir jetzt einen wichtigen Schritt gemacht."

Es gibt also allen Grund zur Hoffnung, dass Gravitationswellen auf der Erde künftig regelmäßig gemessen werden können. Die Zusammenarbeit von Ligo mit dem generalüberholten Detektor VIRGO in Italien, der seine Arbeit im Herbst wieder aufnimmt, dürfte ebenfalls dazu beitragen.

Da fast alle Informationen, die wir bisher über den Kosmos haben, von elektromagnetischen Wellen stammen, scheint Pathos durchaus angebracht: Das Zeitalter der Gravitationswellen-Astronomie hat begonnen! (Tanja Traxler, David Rennert, 15. 6. 2016)