Bei einem gratis Lungenfunktionstest in der Apotheke konnten die Österreicher sich durchchecken lassen. Dabei wurden nicht nur Risikogruppen untersucht.

Foto: iStock / Getty Images

EbM-Experte Gerald Gartlehner nimmt für derStandard.at regelmäßig aktuelle Studien unter die Lupe.

Foto: georg h. jeitler/donau-uni krems

Leben Sie in Wien, Niederösterreich, Salzburg oder Kärnten und waren rund um den Nichtrauchertag am 31. Mai in einer Apotheke? Dann wurden Sie wahrscheinlich darauf angesprochen, an einem kostenfreien Gesundheits-Check auf Asthma oder COPD teilzunehmen. COPD oder "Chronisch obstruktive Lungenkrankheit" ist eine chronische und fortschreitende Erkrankung, die in westlichen Ländern fast ausschließlich durch Rauchen ausgelöst und verschlimmert wird.

Franz P. aus Wien wollte wissen, wie sinnvoll eine solche "Vorsorgeaktion" für ihn als Nichtraucher ist, und bat das Cochrane Department der Donauuni Krems um eine Beurteilung. Sie erfolgte anhand einer detaillierten Literatursuche und Analyse der Hintergründe. Das Ergebnis ist auf der Plattform medizin-transparent.at zu lesen.

Da sich die Aktion "10 Minuten für meine Lunge" laut Leitfaden der Apothekerkammer an alle Personen ab 18 Jahren richtet, handelt es sich um ein Screening: die systematische Suche nach einer Krankheit in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe.

Screening auf COPD: Nutzen oder Risiko?

Vor jedem Screening gilt es sorgfältig abzuwägen, ob der Nutzen für diese Gruppe größer ist als das Risiko. Denn: Wo gesucht wird, wird auch gefunden. Und zwar nicht nur zuvor unerkannte Krankheiten, die nun "endlich" einer Therapie zugeführt werden können, sondern immer auch Symptome und Krankheiten, wo gar keine sind. Diese so genannten falsch-positiven Befunde sind ein großes Problem: Einerseits versetzen sie eigentlich gesunde Menschen mit einer Krank-Meldung grundlos in Sorge, andererseits führen sie zu sinnlosen Folgeuntersuchungen, die nicht selten in überflüssige Therapien münden.

Sobald der Nutzen des Screenings für die untersuchte Gruppe nicht groß genug ist, um dieses Risiko aufzuwiegen, ist die Maßnahme aus Sicht der Evidenzbasierten Medizin nicht vertretbar.

Leider trifft das auf die fragliche Apotheken-Aktion zu – zumindest in der Form, in der sie durchgeführt wurde. Denn es wurde nicht nur nach dem Rauch-Status gefragt und mit standardisierten Fragebögen nach Symptomen von Asthma (für alle zwischen 18 und 40 Jahren) oder COPD (für alle ab 40) gesucht. Für den angestrebten "vollständigen Datensatz" (der den Apotheken finanziell abgegolten wird) mussten die Teilnehmer auch einen Lungenfunktionstest machen ("Spirometrie"). Und zwar unabhängig davon, ob sie je geraucht haben und typischen Symptomen wie Atemnot und Husten leiden. Oder – wie Franz P. aus Wien – eben nicht.

Falsche Zielgruppe?

Und hier liegt das Problem. Der überwiegende Teil der Menschen ist ja lungengesund und hat damit keinerlei Erkenntnisgewinn aus einer Spirometrie. Sehr wohl aber ein gewisses Risiko, falsch-positiv beurteilt zu werden. Ebenso wenig Neues erfahren jene, die bereits um ihr Asthma oder ihre COPD wissen.

Bleibt die Minderheit der noch unentdeckt Kranken. Solange sie ohne Symptome sind, bringt der neue Befund aber auch ihnen keine Vorteile. Das zeigt die brandaktuelle Analyse der US Preventive Services Task Force, eines unabhängigen Gremiums, das regelmäßig evidenzbasierte Empfehlungen zu medizinischen Themen abgibt. Bereits zum zweiten Mal seit 2008 fand die USPSTF keine überzeugenden Belege dafür, dass das Screenen auf COPD bei Erwachsenen ohne Symptome deren Gesundheit verbessert. Deshalb spricht sie sich gegen ein solches Screening aus.

Anders wäre die Aktion zu bewerten, wenn sich die Apotheken darauf beschränkt hätten, Risikogruppen zu untersuchen. Denn wer viel raucht oder geraucht hat und über lange Zeit an Atemnot, Husten und schleimigem Auswurf leidet, tut gut daran, abklären zu lassen, ob es sich hier um Zeichen einer COPD handelt. Das betont auch die USPSTF in ihrer Stellungnahme.

Niederschwellig und unkompliziert

Zwar kann ein kurzer Check in der Apotheke einen Arztbesuch nicht ersetzen, aber als niederschwellige und unkomplizierte Ersteinschätzung, die zu einer sinnvollen weiteren Untersuchung führt, wäre ein solches Angebot durchaus positiv zu bewerten.

Ich möchte an dieser Stelle noch auf einen Punkt aufmerksam machen: Die Initiative wurde stets als Aktion von Apothekerkammer und Österreichischer Gesellschaft für Pneumologie deklariert und hat als solche medial viel Echo erhalten. Dass die Aktion, die im Herbst in eine zweite Runde gehen soll, maßgeblich von Pharmafirmen und Medizinprodukte-Herstellern unterstützt wird, die von diesem Mehr an Aufmerksamkeit unmittelbar profitieren, darf zumindest nachdenklich stimmen. (Gerald Gartlehner, 17.6.2016)