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Pentagon-Chef Ash Carter empfing den saudischen Vizekronprinzen und Königssohn Mohammed bin Salman bin Abdulaziz Al Saud, der ja auch saudischer Verteidigungsminister ist, in Washington.

Foto: REUTERS/Yuri Gripas

Washington/Riad/Wien – Aus der Berichterstattung saudischer und saudisch kontrollierter Medien hätte man schließen können, der König habe seinen ersten großen Besuch in den USA, nach langer saudischer Abwesenheit, absolviert: Es war aber nur der Zweite in der Thronfolge, Vizekronprinz und jüngerer Sohn des aktuellen Monarchen, Mohammed bin Salman. Der Medienhype war dennoch gewaltig – und Stoff für Spekulationen über die Machtverhältnisse im saudischen Königshaus.

Für viele nichtsaudische Kommentatoren schien das interessanteste Faktum zu sein, dass es eben der Vizekronprinz und nicht der Kronprinz war, der die ausführliche Besuchstour absolvierte und auch von Präsident Barack Obama empfangen wurde. Prompt wurde berichtet, der Kronprinz, Mohammed bin Nayef, sei dem Tode nah: Seitdem hat sich MbN, wie er abgekürzt oft genannt wird – Mohammed bin Salman hingegen ist MbS – jedoch in der Öffentlichkeit gezeigt. Die Gerüchte, dass es mit seiner Gesundheit nicht zu besten steht und dass ihn MbS ohnehin in der Thronfolge überholen will, gibt es schon länger.

Der gerade noch 30-jährige Mohammed bin Salman hat in den eineinhalb Jahren, die sein Vater regiert, viel Macht angesammelt: Neben Vizekronprinz ist er Verteidigungsminister, Vizepremier und Vorsitzender des Wirtschafts- und Entwicklungsrats und damit für die "Vision 2030", die Saudi-Arabien ökonomisch auf ganz neue Beine stellen soll, verantwortlich. Als Verteidigungsminister kontrolliert er Milliardengeschäfte, den Krieg im Jemen und die neue "Anti-Terror-Allianz", die mehr als an die Adresse des Iran als die der sunnitischen Jihadisten weltweit gerichtet ist.

Vor allem hat er jedoch das Ohr seines gesundheitlich schwachen Vaters und das Sagen bei Hof. Von der Unzufriedenheit sich übergangen fühlender Prinzen und Kreise im Königshaus, die die neue, aggressive saudische Politik als zu riskant bezeichnen, wird immer wieder gemunkelt. MbS' Verhältnis zum Kronprinzen, seinem Cousin (die Väter beider sind volle Brüder), wird aber meist als gut bezeichnet.

Mohammed bin Salman ist heute vielleicht der von US-Experten am meisten beobachtete Politiker in Nahost. Als Mohammed bin Nayef von König Salman Ende Jänner 2015, nach dem Tod König Abdullahs, zum Vizekronprinzen und wenige Monate später zum Kronprinzen gemacht wurde, war die Zufriedenheit in Washington groß: Man kannte MbN als verlässlichen Ansprechpartner im Antiterrorkampf.

MbS war bei seinem Aufstieg zum Vizekronprinzen hingegen ein völlig unbeschriebenes Blatt. Anders als alle anderen hochrangigen saudischen Prinzen verfügt er über so gut wie keine Auslandserfahrung, etwa im Rahmen eines Studiums. Der Besuch dient nun zum gegenseitigen Kennenlernen – es ist ja nicht auszuschließen, dass MbS bald einmal auf dem Thron landet. Nicht nur in den USA gibt es verschiedentlich Befürchtungen über MbS' "impulsive" Politik. In Saudi-Arabien verübeln ihm die Menschen eher, dass das ihm zugeschriebene Ölpreis-Dumping zu einem Budgetloch und Sparmaßnahmen geführt hat.

Ressentiments

Saudi-Arabien bleibt für die USA der wichtigste strategische Partner am Persischen Golf, auch wenn die Beziehungen zuletzt schwierig waren. Riad fühlt sich von Washington mehrfach in Stich gelassen: durch die US-Zurückhaltung im Syrien-Krieg, wo die Saudis auf den schnellen Sturz des Assad-Regimes setzten, und noch mehr durch den Atom-Deal mit dem Iran und dessen Rückkehr in das internationale Wirtschaftsgeschehen.

Zuletzt gab es auch saudischen Ärger über eine Kongress-Gesetzesvorlage, die US-Gerichten erlauben würde, Saudi-Arabien wegen einer immer wieder vermuteten Verwicklung von Offiziellen in die Anschläge von 9/11 zu verfolgen. Riad drohte daraufhin mit dem Abzug von in den USA investierten Geldern und Vermögen – und wirbt jetzt selbst um US-Investoren, da im Rahmen der "Vision 2030" sogar so heilige Kühe wie die Ölgesellschaft Aramco geschlachtet und zur Teilprivatisierung freigegeben werden sollen.

Vor allem geht es bei der "Vision 2030" jedoch um die Diversifizierung der saudischen Wirtschaft, deshalb wurden MbS' Termine bei den Hochtechnologiegiganten Microsoft und Cisco besonders beachtet. Für das Silicon Valley nahm er sich viel Zeit – und der Besuch bei Mark Zuckerberg gab nette Fotos für seine Facebook-Seite her. (Gudrun Harrer, 24.6.2016)