Einer von insgesamt 97 Fußabdrücken, die vor einigen Jahren in Kenia entdeckt wurden. Im Schlamm hinterlassen wurden sie von mindestens 20 verschiedenen Individuen aus fünf Gruppen.

Foto: Kevin Hatala

Die 1,5 Millionen Jahre alten Spuren belegen, dass der Homo erectus bereits über eine sehr ähnliche Fußanatomie verfügte wie wir und energiesparend Laufen konnte.

Foto: Kevin Hatala

Leipzig/Wien – Wann und warum die Vorfahren des Menschen dazu übergingen, den vierbeinigen Gang zugunsten der Zweibeinigkeit aufzugeben, ist bis heute ungeklärt. Beobachtungen von Orang-Utans weisen darauf hin, dass sich die Fortbewegung auf zwei Beinen bereits abzuzeichnen begann, als wir noch in den Bäumen lebten. Fest steht jedenfalls, dass der aufrechte Gang unseren Ahnen bedeutende Vorteile verschaffte, die nicht zuletzt auch die Entwicklung der Intelligenz vorangetrieben haben.

Einer der Gründe, warum man allenfalls vage Aussagen über die Evolution der zweibeinigen Gangart treffen kann, hat vor allem mit einer Frage zu tun: Lassen sich biomechanische Eigenschaften – und damit letztlich auch die Fortbewegungsart – von Skelettfossilien zweifelsfrei ableiten? Darüber sind sich Experten immer noch weitgehend uneins.

Prähistorische Spurenlese

Zum Glück für die Anthropologen muss man sich nicht allein auf alte Knochen verlassen, um dem Laufstil unserer Vorfahren auf den Grund zu gehen. Im Jahr 2009 entdeckten Forscher nahe der kenianischen Stadt Ileret östlich des Turkana-Sees eine Ansammlung versteinerter Fußabdrücke, die vor 1,5 Millionen Jahren im Schlamm hinterlassen worden waren. Aufgrund dieser Datierung dürfte Homo erectus der Urheber der Spuren gewesen sein. Grabungen brachten schließlich weitere Trittspuren in einer bis dahin beispiellosen Menge zum Vorschein: Insgesamt wurden 97 Fußabdrücke von mindestens 20 verschiedenen Individuen gezählt.

Kevin Hatala und Kollegen vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig beschäftigen sich seit einigen Jahren mit diesen Abdrücken und sind dabei auf Erstaunliches gestoßen: Ihre detaillierten Analysen ergaben, dass die Homo-erectus-Spuren von den Abdrücken moderner Menschen praktisch nicht zu unterscheiden sind. Das zeigt, dass Homo erectus bereits über eine sehr moderne Fußanatomie und Fußmechanik verfügte. "Unsere Untersuchung belegt erstmals, dass unsere unmittelbaren Vorfahren vor 1,5 Millionen Jahren so gegangen sind wie wir heutzutage", sagt Hatala.

So besaß Homo erectus zum Beispiel bereits ein in Längsrichtung gekrümmtes Fußgewölbe, das, einer Feder gleich, die Laufenergie teilweise speichern und wieder freigeben konnte. "Dies ermöglichte es ihm, auf langen Strecken oder beim Laufen Energie zu sparen", meinen die Forscher.

Kooperativer Männertrupp

Die Wissenschafter konnten aus den fossilen Spuren jedoch nicht nur die Gangart ableiten. Es gelang ihnen auch, daraus Rückschlüsse auf das Sozialverhalten des Homo erectus zu ziehen: Eine genaue Vermessung der Fußabdrücke lieferte den Anthropologen Hinweise auf das Gewicht und damit auch die Geschlechterzusammensetzung der prähistorischen Wanderschar.

Offenbar, so die in den "Scientific Reports" geäußerte Hypothese, waren die beiden am besten untersuchten Spurengruppen von mehreren männlichen Erwachsenen hinterlassen worden. Dies spricht nach Hatalas Ansicht dafür, dass Homo-erectus-Männer innerhalb einer Gruppe einander tolerierten oder sogar miteinander kooperierten – und männliche Kooperation bildet die Basis vieler sozialer Verhaltensweisen, die den modernen Menschen von anderen Primaten unterscheiden. (Thomas Bergmayr, 13.7.2016)