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"Entscheidend ist die Summe der Belastungen durch die allgegenwärtigen Kunststoffe. Die ist heutzutage hoch", sagt Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien.

Foto: APA/EPA/TATYANA ZENKOVICH

Wien – Plastik ist überall. Das wissen wir spätestens seit dem Film "Plastic Planet". Wer den Film nicht gesehen hat, dem reicht ein Blick in den Einkaufswagen: Salat, Gurken, Tomaten, Karotten, Paprika liegen fein gebettet in Kunststoffverpackungen und Plastiktassen. Käse, Wurst, Fleisch werden hygienisch gelagert in Kunststoffgehäusen. Das Joghurt wohnt in kleinen Bechern, das Mineralwasser prickelt aus PET-Flaschen. Geschätzte 80 Prozent der im Supermarkt angebotenen Lebensmittel kommen nicht mehr ohne Plastikverpackung aus.

Rund 280 Millionen Tonnen Kunststoff werden jährlich weltweit produziert. Müll, der auch entsorgt werden will, etwa im großen Blau. Inzwischen schwimmt etwa sechs Mal mehr Plastik als Plankton im Meer.

Motiviert durch den mehrfach ausgezeichneten Film des österreichischen Regisseurs Werner Boote hat eine fünfköpfige Familie aus der Steiermark im privaten Haushalt zwei Monate lang auf Kunststoffe verzichtet. UmweltmedizinerInnen der Med-Uni Wien haben sie bei ihrem Experiment begleitet. Das heißt konkret: Am Beginn der Plastikabstinenz und nach zwei Monaten wurden die Harnproben der einzelnen Familienmitglieder analysiert.

Vermeidung bringt wenig für die Gesundheit

Das zentrale Ergebnis der Humanbiomonitoring-Studie: Die "Plastik-Fastenkur" bringt wenig bei der Vermeidung von Schadstoffbelastungen.

Der Selbsttest begann Mitte November 2009. Alle Kunststoffprodukte des täglichen Lebens wurden – soweit es möglich war – durch entsprechende kunststofffreie Produkte ersetzt. Bis hin zu Zahnbürsten aus Holz mit Schweinehaarborsten. Zugleich wurde radikal darauf geachtet, Lebensmittel nur dann zu essen, wenn sie vorher nicht oder nur kaum mit Kunststoff in Berührung gekommen waren.

Kunststoffe können eine Vielzahl an potenziell gesundheitsschädigenden Stoffe enthalten. Weichmacher, sogenannte Phthalate, aber auch Flammschutzmittel, Duft- oder Farbstoffe. "So können Phthalate bereits in sehr geringen Konzentrationen essenzielle biologische Prozesse wie Enzymaktivitäten oder das Hormonsystem beeinflussen", sagt Hans-Peter Hutter vom Institut für Umwelthygiene der Med-Uni Wien.

"Keine Chance, dieser Belastung zu entkommen"

Im Rahmen des Experiments wurden 14 gesundheitsrelevante Phthalat-Metabolite und Bisphenol A (BPA) im Morgenurin gemessen. Selbst wenn auf privater Ebene jede mögliche Berührung mit Kunststoffen vermieden wird, bleibt eine bestimmte innere Belastung bestehen, die Gesundheitseffekte sind eher gering, urteilen die Studienautoren. "Das Experiment und die Studie zeigen: Wir haben keine Chance, dieser Belastung zu entkommen", resümiert Hutter. Demnach sei Kunststoff-Vermeidung vor allem ein Beitrag zum Ressourcen- und Umweltschutz.

Was die Forscher noch betonen: "Teilweise ist die jeweilige gesundheitsschädliche Belastung durch das Einzelprodukt sehr gering. Das sei auch stets die Argumentation der einzelnen Unternehmen. Entscheidend ist jedoch die Summe der Belastungen durch die allgegenwärtigen Kunststoffe. Die ist heutzutage hoch."

Neben Weichmachern zählen den Umweltmedizinern zufolge auch Industriechemikalien wie Polybromierte Diphenylether, Nonylphenol und Bisphenol A zu den problematischen Substanzen. (gueb, 13.7.2016)