"Das Heiratsalter steigt immer weiter."

"Es gibt immer weniger Ehen."

"Das Konzept der Ehe ist veraltet."

Diese drei Befunde sind weit verbreitet. Aber sind sie wirklich allgemeingültig? Mit einer Analyse von Daten der Statistik Austria lässt sich ein umfangreiches Bild der Ehebeziehungen in Österreich skizzieren. Es zeigt sich: Die Faktoren Bildung und Geburtsland haben großen Einfluss darauf, wann und wer geheiratet wird.

Die gesellschaftliche Bedeutung der Ehe hat sich in den vergangenen 45 Jahren verändert: In dieser Grafik lässt sich einerseits das Hinausschieben der ersten Heirat auf einen späteren Lebensabschnitt feststellen. Gleichzeitig zeigt sie, wie sich die Rate der Personen, die überhaupt heiratet, halbiert hat.

Hervorgehoben wird jeweils die Altersgruppe, die am öftesten geheiratet hat.

Falls Sie bereits geheiratet haben sollten, können Sie hier Ihr Geschlecht, Ihr Geburtsjahr und Ihr Hochzeitsjahr eingeben. Wir sagen Ihnen dann, ob Sie bei Ihrer Hochzeit im Vergleich zu anderen Heiratenden früh, spät oder durchschnittlich dran waren.

Wir sehen

  • Die Heiratsrate ist rapide gesunken. Von 1.000 in Österreich lebenden Männern haben im Jahr 1970 noch 857 im Lauf ihres Lebens eine Ehe abgeschlossen, bei Frauen waren es 915. Im Jahr 2014 waren es nach diesem Modell nur mehr 477 Männer und 507 Frauen.
  • Das Heiratsalter in Österreich ist für Männer und Frauen im Gleichtakt gestiegen. Im Median hat sich der Zeitpunkt der ersten Hochzeit jedes Jahr um zweieinhalb Monate nach hinten verschoben. 1970 lag das mittlere Alter der Frauen bei 21,7 Jahren – eine Hälfte war jünger, die andere Hälfte älter. Das mittlere Alter des Bräutigams waren 24,4 Jahre. Im Jahr 2014 ist sie 30 Jahre, er 32,4 Jahre alt.

In diesem Alter hatten 1971 etwa 85 Prozent der Männer und Frauen schon mindestens ein Mal geheiratet. Das geht aus der Volkszählung hervor. Interessant ist, dass sich das mittlere Erstheiratsalter heute wieder jenem aus den ersten Jahren nach Einführung der Zivilehe annähert. 1880 war das Heiratsalter hoch und die Heiratsquote niedrig. Grund dafür war, dass es Einschränkungen gab, wer heiraten durfte. Nur wer für Unterhalt sorgen konnte, durfte eine Ehe schließen. Das führte dazu, dass in der Altersgruppe der 30- bis 34-jährigen Frauen 39,4 Prozent von ihnen noch keine Ehe geschlossen hatten. Bis 1971 ist dieser Anteil auf 11,5 Prozent geschrumpft. Seither steigt der Anteil wieder.

Wie kommt es zu diesem Anstieg?

Hauptgrund ist die längere Bildungsbeteiligung. Akademiker heiraten im Vergleich zu Personen mit Pflichtschulabschluss oder Lehre deutlich später.

Dieser Befund lässt sich mit Daten aus der Registerzählung 2011 unterlegen. Sie gibt auch Auskunft darüber, wer mit wem in Österreich in einem Haushalt lebt. Am Beispiel eines verheirateten Mannes mit Hochschulabschluss: Er lebt in vier von zehn Fällen auch mit einer Akademikerin zusammen. Nur in einem von sechs Fällen hat er eine Partnerin, die eine Lehre oder Pflichtschule abgeschlossen hat.

Bildung: Gleich und Gleich gesellt sich gerne

Bei Frauen ist dieses Verhalten noch stärker ausgeprägt. Sie leben in sechs von zehn Fällen mit einem Akademiker zusammen, den sie geheiratet haben. "Dass eine Akademikerin jemanden mit Lehr- oder Pflichtschulabschluss heiratet, kommt so gut wie nie vor", sagt Johann Baumann. Er ist Standesbeamter in Gmunden und hat in seiner Laufbahn 1.700 Ehen geschlossen. "Sie haben einfach das gleiche soziale Umfeld, kommen öfter in Kontakt." Im Detail lässt sich die Aufteilung, wer mit wem nach Bildungsabschluss zusammenlebt, so aufschlüsseln:

Studien haben auch gezeigt, dass Paare der gleichen Bevölkerungsschicht eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, nicht geschieden zu werden. Aber das Phänomen der Homogamie hat auch Nachteile.

Auswirkungen auf die Einkommens- und Vermögensverteilung

Wenn soziale Schichten nicht durchlässig sind, dann konzentriert sich beispielsweise das Einkommen stärker – sowohl in den zehn ärmsten Prozent der Bevölkerung als auch im reichsten Zehntel der Bevölkerung. Untersuchungen gehen davon aus, dass dieser Effekt von Generation zu Generation weitergegeben wird. Wie es um die Einkommensverteilung in Österreich bestellt ist und wie viel Menschen wie Sie verdienen, haben wir hier aufgeschlüsselt.

Heiratsrate und -alter unterscheiden sich ebenso nach Größe der Gemeinde, in der das Paar lebt. Unterschiede zwischen Stadt und Land sind erkennbar, aber weniger auffällig als nach Bildungsmerkmalen.

Hervorgehoben wird jeweils die Altersgruppe, die am öftesten geheiratet hat.

Wir sehen

  • Ehen in kleineren Gemeinden, die zwischen 1.000 und 10.000 Einwohner haben, werden geringfügig früher geschlossen als in Großstädten.
  • In kleineren Städten ist die Wahrscheinlichkeit einer Hochzeit größer als in urbanen Zentren wie Wien oder Graz. Auf Basis der Eheschließungen im Jahr 2014 lässt sich berechnen, dass Frauen in Gemeinden mit 1.000 bis 2.000 Einwohnern in ihrem Leben mit einer 60-prozentigen Wahrscheinlichkeit mindestens einmal heiraten (Männer: 55 Prozent). In Wien liegt die Wahrscheinlichkeit bei 47 Prozent (Männer: 45 Prozent), in Graz bei 44 Prozent (Männer: 45 Prozent).

Das oft zitierte Bild vom konservativen Land und der progressiven Stadt zeigt sich geringfügig ausgeprägt. Ein stärkerer Einflussfaktor auf Heiratsalter und -rate ist jedoch das Geburtsland.

Wir sehen

  • Gebürtige Türken ziehen besonders früh vor den Traualter: Mit 21 Jahren hat fast die Hälfte der gebürtigen Türkinnen einmal geheiratet (47 Prozent). Von Frauen, die in Österreich geboren sind, ist in dieser Bevölkerungsgruppe eine von zwanzig verheiratet.
  • Gebürtige Bosnier, Serben, Mazedonier, Montenegriner, Kosovaren und sowie Bürger der EU-Staaten der Osterweiterung (Baltikum, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Malta, Bulgarien, Rumänien, Kroatien) trauen sich ebenfalls früher.
  • In Deutschland Geborene heiraten in der beobachteten Gruppe tendenziell am spätesten.

Woran liegt das?

Wie in diesem Paper zum Heiratsverhalten festgehalten wird, hat die Ehe in ost- und südeuropäischen Staaten noch immer eine größere Bedeutung. Weil in den vergangenen Jahrzehnten viele der Zuwanderer aus diesen Ländern nach Österreich gekommen sind, ist beispielsweise die Zahl der Eheschließungen in Wien bis 2015 stabil geblieben – obwohl sie in allen anderen Bundesländern sank.

Die Blumengärten in Hirschstetten sind der beliebteste Ort für Trauungen in Wien, die außerhalb des Standesamtes stattfinden.
Foto: ma26

Das frühere Ja-Wort auf die Absicherung des Aufenthaltsstatus zurückzuführen, wäre verkürzt. Vielmehr ist anhand von Daten aus den Geburtsländern selbst ersichtlich, dass eine frühere Heirat im Geburtsland üblich ist. In Österreich ist das mittlere Alter von Frauen und Männern für die erste Heirat hoch und die Heiratsrate im Vergleich zu ausgewählten ost- und südeuropäischen Ländern niedrig.

Um abzuschätzen, welche gesellschaftliche Bedeutung die Ehe in den Ländern hat, lässt sich auch die Heiratsrate betrachten. Im Vergleich zu Österreich, wo die Zahl der Eheschließungen mit kurzen Unterbrechungen rückläufig ist, ist dieser Trend beispielsweise in der Türkei weniger ausgeprägt. Und: Es heiraten dort proportional fast doppelt so viele Menschen im Vergleich zu Österreich.

Den letzten Boom der Ehe hat es in Österreich gegeben, als das Ende der Heiratsbeihilfe beschlossen wurde. Das war 1987. Die Zahl der Eheschließungen schnellte kurzfristig nach oben. Viele Paare, die vorhatten zu heiraten (und manche, die sich die Prämie nicht entgehen lassen wollten), haben in den vier Monaten zwischen der Verkündung der Abschaffung im September und dem tatsächlich Wegfall mit Jahreswechsel geheiratet. 15.000 Schilling gab es damals dafür. Eleonore Bailer, die seit 36 Jahren Paare traut und Präsidentin des Fachverbandes der Standesbeamten ist, erinnert sich gut: "Wir hatten bis zu 20 Hochzeiten an einem Tag. Das war damals noch sehr viel Geld." Allein die Gerüchte, dass die Heiratsbeihilfe gestrichen werden könnte, haben die Eheschließungen im Jahr 1983 schon einmal steigen lassen. Eine Institution, die von politischen Rahmenbedingungen unabhängig ist, ist die Ehe also nicht.

Nichteheliche Lebensgemeinschaften auf dem Vormarsch

Auch die gesellschaftliche Akzeptanz von nichtehelichen Lebensgemeinschaften ist gestiegen. Diese Lebens- und Familienform tritt zunehmend in Konkurrenz mit der traditionellen Ehe, ist aber statistisch nicht so detailliert erfasst wie Eheschließungen. Deshalb werden ausschließlich Daten mit Fokus auf Ehegemeinschaften für diese Analyse verwendet. Tendenziell hat sich der Anteil der Bevölkerung, die die Ehe als veraltete Institution beurteilt, in Österreich vergrößert. Waren es 1990 noch 12 Prozent, die dieser Aussage zugestimmt haben, sind es 2008 schon 30 Prozent gewesen. In Europa ist der Anteil der Menschen von 14 auf 22 Prozent moderat gestiegen. Geht es also nach der Europäischen Wertestudie, ist der Rest Europas traditioneller eingestellt als Österreich. (Gerald Gartner, Markus Hametner, 23.7.2016)