Viele kleine, aber keine Riesenkrater: Ceres' Oberfläche zeigt Anzeichen geologischer Aktivität.

Illu.: Southwest Research Institute / Simone Marchi

Boulder/Wien – Als die Nasa-Sonde Dawn im März 2015 den Zwergplaneten Ceres erreichte, erwarteten die Astronomen, einen von Einschlägen schwer gezeichneten Himmelskörper vorzufinden. Was sie während der Annäherung an das größte Objekt im turbulenten Asteroidengürtel stattdessen beobachteten, bot zu ihrer Überraschung ein völlig anderes Bild: An kleineren Kratern mangelte es zwar nicht, Anzeichen für größere Treffer fehlten dagegen völlig, obwohl es die im Laufe der vergangenen 4,5 Milliarden Jahre eigentlich gegeben haben müsste.

David Williams von der Arizona State University – zugleich Mitglied des Dawn-Teams – konnte sich das Phänomen zunächst nicht erklären: "Selbst die von der Sonde zuvor besuchte Vesta – mit einem Durchmesser von 516 Kilometern nur halb so groß wie Ceres – besitzt zwei gewaltige Einschlagbecken in der Südpolregion. Alles, was wir auf Ceres' Oberfläche in dieser Hinsicht entdecken konnten, war das Kerwan-Becken, eine nur 285 Kilometer große Struktur südlich des Äquators."

Eine nun von Wissenschaftern um Simone Marchi vom Southwest Research Institute in Boulder, Colorado, präsentierte Studie zeigt dagegen, wie Ceres heute eigentlich aussehen müsste: Ihre Modellsimulationen legen nahe, dass auf der Oberfläche des Zwergplaneten nämlich zwischen zehn und 15 Krater mit einem Durchmesser von mehr als 400 Kilometern existieren sollten, sowie mindestens 40 weitere 100-Kilometer-Krater. Tatsächlich aber fanden die Astronomen nur 16 Impaktnarben, die größer sind als 100 Kilometer.

Ceres' eisiger Untergrund

"Diese Ergebnisse passen absolut nicht zu unseren Kollisionsmodellen", schreiben Marchi und ihre Kollegen im Fachjournal Nature Communications. Was also ist die Ursache für die mysteriöse Abwesenheit großer Krater und Einschlagbecken? Die Forscher wissen es schlicht und einfach nicht, haben aber mittlerweile immerhin eine plausible Hypothese parat.

"Schon vor der Dawn-Mission war klar, dass Ceres' Kruste einen signifikanten Anteil von Eis enthält", erklärt Williams. Ist die Eismenge groß genug und zusätzlich mit Mineralsalzen versetzt, dann könnte dies die Oberfläche des Zwergplaneten entsprechend schwächen. Die Folge davon wäre, dass Impaktbecken mit der Zeit allmählich eingeebnet werden und sogar völlig verschwinden. Einige Oberflächenmerkmale, die auf das Vorhandensein früherer Becken hindeuten, würden diese Theorie jedenfalls unterstützen.

Möglicherweise stehen die fehlenden Krater dadurch auch mit einer anderen rätselhaften Erscheinung auf Ceres in Zusammenhang: Jene seltsamen hellen Flecken, die unter anderem den Krater Occator sprenkeln, werden als Hinweise für kryovulkanische Vorgänge gedeutet. "Es ist durchaus denkbar, dass salzhaltiges geschmolzenes Eis aus tieferen Schichten an diesen Stellen zur Oberfläche empordringt und die beobachteten hellen Strukturen ausbildet" , meint Marchi.

Derartige Eruptionen und die dahinterstehenden Prozesse wären also durchaus geeignet, die Oberfläche von Ceres über Jahrmilliarden hinweg zu verändern. Eines lässt sich jedenfalls guten Gewissens annehmen, so die Wissenschafter: Die verschwundenen Riesenkrater sind ein deutliches Anzeichen dafür, dass der ungewöhnliche Zwergplanet geologisch aktiver ist, als man bisher für möglich gehalten hatte. (Thomas Bergmayr, 27.7.2016)