Bienenvölker leiden unter dem Pestizideinsatz. Nun zeigte sich, dass zwei Neonicotinoide sich schädlich auf männliche Bienen auswirken.

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Bern – Zahlreiche Studien konnten in den vergangenen Jahren nachweisen, dass Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide auf Bienen eine schädliche Wirkung ausüben. Auch wenn Vertreter der IndustrieGruppe Pflanzenschutz (IGP) dies nicht wahrhaben wollen und bestehende Untersuchungen im Vorjahr negierten, zeigt nun eine neuerliche Studie, dass die entsprechenden Chemikalien zurecht in der Kritik stehen: Schweizer Wissenschafter konnten nachweisen, dass die Fortpflanzungsfähigkeit von männlichen Honigbienen durch zwei Neonikotinoide geschädigt werden kann.

Weil das Überleben und die Leistungsfähigkeit der Bienenkönigin von der erfolgreichen Begattung mit Männchen abhängt, hat eine schlechte Spermienqualität schwerwiegende Folgen für die Gesundheit der Königin und somit der ganzen Kolonie. Aktuelle Forschungsergebnisse haben bereits gezeigt, dass eine schwache Gesundheit der Königin eine wichtige Ursache für das Bienensterben darstellt. In diesem Zusammenhang fordern die Forscher gründlichere Abklärungen der Risiken von Neonikotinoiden und ähnlicher Mittel.

"Wir wissen, dass verschiedene Faktoren der Bienengesundheit schaden, darunter Parasiten und schlechte Ernährung. Agrochemikalien gehören auch dazu", sagt Geoff Williams von der Universität Bern und der Agroscope, Koautor der Studie. Bisherige Studien weisen darauf hin, dass die Chemikalien sowohl tödliche als auch nicht-tödliche Auswirkungen auf weibliche Honigbienen haben. Bisher war aber nichts über die Auswirkungen auf Männchen bekannt. Bereits 2013 wurde vorsorglich die breite Anwendung der drei Wirkstoffe Thiamethoxam, Clothianidin und Imidacloprid in Europa stark eingeschränkt, um die Auswirkungen auf die Bienengesundheit genauer zu untersuchen. In Anlehnung an die EU wurde der Einsatz dieser Neonikotinoide in der Schweiz ebenfalls teilweise verboten. Aktuell ist eine neue Abklärung durch die Bewilligungsbehörden Europas im Gang.

Die schweizer Forschergruppe wiesen nun gemeinsam mit Kollegen der Chiang Mai Universität, der Mae Fah Luang Universität (Thailand) und der Universität Koblenz-Landau (Deutschland) nach, dass auch männliche Bienen – Drohnen – durch die Neonikotinoide Thiamethoxam und Clothianidin geschädigt werden. Die Studie wurde im Fachjournal "Proceedings of the Royal Society of London B: Biological Sciences" publiziert.

Kürzeres Leben und verminderte Spermienqualität

Die Studie zeigt, dass im Labor gehaltene Drohnen, nachdem sie den Neonikotinoiden in einem Volk ausgesetzt waren, eine kürzere Lebensdauer aufwiesen und weniger lebende Spermien produzierten. Dies hat auch Konsequenzen für die Bienenköniginnen: da diese als einzige Eier legen können, müssen sie mit den gesunden Spermien von mehreren Drohnen befruchtet werden, um ihre zentrale Rolle für das Volk wahrzunehmen. Wird eine Königin von Männchen mit schlechter Spermienqualität begattet, beeinträchtigt dies ihre Legetätigkeit, worauf die Kolonie sie durch eine andere ersetzen muss – was ressourcenintensiv und mit Risiken verbunden ist.

"Die meisten Studien zu Neonikotinoiden haben sich bisher auf Arbeiterinnen (die nicht reproduzierfähigen Weibchen im Volk) beschränkt. Männliche Honigbienen wurden bisher vernachlässigt – und obwohl die Resultate nicht überraschen, könnten sie nun zu einem Umdenken in Sachen Neonikotinoide führen", sagt Lars Staub, Hauptautor der Studie. "Zusammen mit weiteren Studienergebnissen und der Bedeutung, die männliche Honigbienen für die Fortpflanzung der Gattung haben, unterstreichen unsere Resultate die Dringlichkeit von Risikoabschätzungen der Agrochemikalien, um die Biodiversität und Öksysteme zu erhalten", erklärt Koautor Peter Neumann, Leiter vom Institut für Bienengesundheit. (red, 30.7.20146)