Abu Mohammed al-Jolani, Chef der Nusra- beziehungsweise Fatah-Front.

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Erst jetzt hat man Gewissheit über das Aussehen des Mannes, der die Filiale von Al-Kaida in Syrien leitet(e): Als Abu Mohammed al-Jolani, der Führer der Nusra-Front, sich 2013 und 2015 von Al Jazeera interviewen ließ, durfte sein Gesicht nicht gefilmt werden. Am Donnerstag strahlte Al Jazeera ein Video aus, auf dem ein unverhüllter Jolani, flankiert von zwei anderen Nusra-Kadern, bekanntgab, dass sich die Nusra-Front von Al-Kaida getrennt habe und fortan "Eroberungsfront von Syrien" (Jabhat Fatah al-Sham) heiße.

Bereits im Interview 2015 schien es, als würde Jolani – seit Mai 2013 ein "Special Designated Global Terrorist" auf der US-Terrorliste – ein vorsichtiges Rebranding einleiten: Die Nusra-Front verfolge trotz ihrer Al-Kaida-Zugehörigkeit nur das Ziel, das Assad-Regime zu stürzen – nicht etwa, den Westen zu attackieren. Es folgten einige (mäßig) beruhigende Worte dazu, was für ein Staat Syrien nach dem Umsturz werden solle.

Aber über Jolanis Denken sollte es keinen Zweifel geben: Er ist ein jihadistischer Islamist, der den Nahen Osten als Schlachtfeld im Krieg zwischen Westen und Islam – beziehungsweise dem sunnitischen Islam, auch die Schiiten gehören zu den Feinden – sieht. Und die adäquate Staatsform nach dem Sieg ist ein islamisches Emirat.

Dass Jolani über Al Jazeera kommuniziert, kann man getrost als Hinweis darauf sehen, wer hinter dem Versuch, Jolani und seine neue Fatah-Front salon- und damit unterstützungsfähig zu machen, steckt: Katar wurde stets nachgesagt, der Nusra nahezustehen. Dafür, dass die USA bei dem Spiel mitmachen werden, gibt es keine Anzeichen. Aber wenn eine kritische Masse von Rebellengruppen sich mit der Fatah-Front zusammentut, wird man schwerlich um sie herumkommen.

Al-Jolani, "Der vom Golan", ist ein Aliasname. Über Jolanis Identität wurde lang gerätselt, die meisten Quellen identifizieren ihn als Osama al-Absi al-Wahidi, geboren in Shuhail bei Dair al-Zor. Seine Familie stammt aus Idlib, wo die Nusra/Fatah-Front besonders stark ist. Jolani studierte in Damaskus Medizin, als er sich der nach dem US-Einmarsch gegründeten Al-Kaida im Irak anschloss. Ab 2006 hielt er sich zwei Jahre im Libanon auf und ging dann in den Irak zurück, wo er im berühmten US-Camp Bucca einsaß. Dort war auch der spätere Chef des "Islamischen Staats", Omar al-Baghdadi, von dem Jolani 2011 den Auftrag erhielt, die Nusra-Front zu gründen. 2013 kam es zum Bruch. (Gudrun Harrer, 31.7.2016)