Schätzungen zufolge hat etwa jedes zehnte Kind in Österreich und Deutschland eine "nichtalkoholische Fettleber". Zu den möglichen Folgeerkrankungen zählen die "nichtalkoholische Leberentzündung", Leberzirrhose und Leberkrebs.

Im Bild: Gerard Andriesz, Sprössling der niederländischen Adelsfamilie Bicker, gemalt von Bartholomeus van der Helst (1639).

Foto: Rijks Museum Amsterdam

Berlin/Wien – Übergewicht ist nicht nur ein Problem von Erwachsenen. Einer WHO-Studie zufolge gelten weltweit etwa 41 Millionen Mädchen und Buben unter fünf Jahren als übergewichtig oder adipös. Sind Kinder zu dick, lagern auch ihre Organe Fett ein. So schätzen Experten, dass bereits etwa jedes zehnte Kind in Österreich und Deutschland an einer "nichtalkoholischen Fettlebererkrankung" (NAFLD) leidet.

Das heißt, der Stoffwechsel des Menschen speichert überschüssige Energie aus der Nahrung als Körperfett. Dieses Körperfett wird unter anderem auch in der Leber gespeichert. "Veränderungen im Fettgewebe können bei Übergewicht dazu führen, dass zu viele Fettsäuren freigesetzt werden, die dann in die Leber aufgenommen und dort abgelagert werden", erklärt Susanne Kaser von der Österreichische Diabetes-Gesellschaft (ÖDG).

Im schlimmsten Fall droht Lebertransplantation

"Bei Kindern erfolgt die Diagnose, wenn fünf bis zehn Prozent des Lebergewichts aus Fett besteht", erklärt Christian Trautwein, Gastroenterologe von der Uniklinik Aachen. Der Mediziner empfiehlt, bei übergewichtigen Kindern und Jugendlichen immer auch eine Fettlebererkrankung abzuklären. So kann eine Ultraschalluntersuchung Leberveränderungen sichtbar machen. Darüber hinaus weisen auch erhöhte Blutfette, ein erhöhter Blutzucker oder auch die Werte des Leberenzyms "Alanin-Aminotransferase" auf die Erkrankung hin. Zudem tritt die Fettleber häufig in Kombination mit einer Insulinresistenz auf.

Das Problem an der Erkrankung: Eine Fettleber verursacht zunächst keine Beschwerden, birgt aber erhebliche Risiken für weitere schwere Verläufe. So kann sich aus einer NAFLD eine "nichtalkoholische Fettleberhepatitis" (NASH) entwickeln, wie die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten warnt.

Dabei entzündet sich das Organ, und es kommt zu einer nicht mehr umkehrbaren Vernarbung des Gewebes, einer Fibrose, die sich etwa in abnehmender Leistungsfähigkeit und Abgeschlagenheit äußert. Im weit fortgeschrittenen Stadium entwickelt sich eine Zirrhose. Gleichzeitig steigt das Risiko, an Leberkrebs zu erkranken. Im schlimmsten Fall kann sogar eine Transplantation notwendig werden. "Die Krankheitsbilder ähneln den Folgen langjährigen Alkoholkonsums", sagt Trautwein.

Das Ziel: Lebensstil ändern

Der Experte schätzt, dass in Deutschland etwa 4000 Kinder und Jugendliche direkt von der aggressiv fortschreitenden Verlaufsform betroffen sind. Darüber hinaus kann sich die NAFLD auch im Laufe von Jahrzehnten zu einer NASH auswachsen. Betroffen haben dann im späten Erwachsenenalter mit den Auswirkungen einer lebenslangen Fehlernährung zu kämpfen, die nicht selten bereits im Kindes- und Jugendalter begonnen hat.

Damit es zu solch schweren Verläufen gar nicht erst kommt, sei es entscheidend, frühzeitig gegenzusteuern. Denn: "Es gibt derzeit keine zugelassenen Medikamente gegen NAFLD. Die wichtigsten Maßnahmen sind daher Gewichtsreduktion und Lebensstiländerung", wie Susanne Kaser betont. "Mit Sport, gesunder Ernährung und einer Normalisierung des Körpergewichts können Patienten bewirken, dass sich die Fettablagerungen in der Leber vollständig zurückbilden", ergänzt Trautwein.

"Um der Fettleber-Epidemie und den schweren Folgeerkrankungen zu begegnen, müssen wir aber nicht nur die Patienten frühzeitig behandeln, sondern auch als Gesellschaft aktiv werden", fordert der Gastroenterologe. "Wir sollten alles dafür tun, dass ein gesunder Lebensstil schon bei den Jüngsten zur Norm wird". (red, 3.8.2016)