Sehen aus wie normale Kontaktlinsen, werden aber nachts getragen und morgens herausgenommen. Die Sicht hat sich verbessert.

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Fast jeder Brillen- oder Kontaktlinsenträger hat sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, ob eine Laser-Operation der eigenen Fehlsichtigkeit eine Option wäre. Die Meinungen gehen weit auseinander, nicht selten entstehen wilde Diskussionen über Risiken, Wirkung und Kosten. Kaum Thema sind Nachtlinsen, so genannte Ortho-K-Linsen.

Die Abkürzung steht für für Orthokeratologie. Bei diesem Verfahren werden über Nacht speziell gefertigte, stabile Kontaktlinsen getragen, die die elastische Hornhaut mit sanftem Druck verformen und damit Fehlsichtigkeiten korrigieren. "Der Anwender spürt – besonders am Anfang – ein leichtes Fremdkörpergefühl, schmerzen sollte es aber nicht", sagt Bernd Bastel, Kontaktlinsenoptikermeister und Geschäftsführer des Instituts Contacta in Wien. In Österreich ist diese Methode zur Korrektur von Fehlsichtigkeit noch wenig verbreitet, beliebt sind Nachtlinsen in den Niederlanden, den USA, Australien und Asien.

Regelmäßige Kontrolle

Vom ersten Gebrauch an dauert es etwa ein bis zwei Wochen, bis das gewünschte Resultat erzielt ist, in dieser Zeit muss der Anwender regelmäßig zur Kontrolle. "Die Hornhaut wird in eine bestimmte Form gezogen, sodass die Dioptriestärke abnimmt", erklärt Bastel. Tagsüber nimmt die Stärke allerdings wieder zu, "das muss am Anfang mit Tageslinsen ausgeglichen werden", so Bastel. "Nach der Anfangsphase ist die Hornhaut aber so stabil, dass sie den ganzen Tag über die Form hält." Die Linsen müssen jede Nacht getragen werden, so die Empfehlung. Im Gegensatz zur Operation, ist das Ergebnis der Ortho-K-Linsen nicht so lang anhaltend. Werden sie nicht mehr getragen, stellt sich spätestens nach einer Woche wieder die ursprüngliche Fehlsichtigkeit ein – wer keine Lust mehr auf Nachtlinsen hat, trägt wieder Brille.

Mit Ortho-K-Linsen werden Kurzsichtigkeit bis -5,0 Dioptrien, Weitsichtigkeit bis +2,0 Dioptrien, Hornhautverkrümmungen und Gleitsichteinstellungen korrigiert. Rein äußerlich unterscheiden sich Ortho-K-Linsen nicht von herkömmlichen Kontaktlinsen. Der Träger kann damit normal sehen, muss sie nachts beim Gang auf die Toilette also nicht herausnehmen.

Was schief gehen kann

Regelmäßige Kontrollen sind laut Bastel besonders wichtig. Dabei wird überprüft, ob Druckstellen an der Hornhaut im Auge auftreten oder es zu Sauerstoffmangel kommt. Nach Anpassung muss der Anwender alle drei Monate zum Spezialisten.

Es gibt auch Studien zu Nebenwirkungen von Ortho-K-Linsen – mit unterschiedliche Resultaten. Während einige Untersuchungen ergaben, dass schlechteres Kontrastsehen, Zerr- und Doppelbilder in der Nacht sowie erhöhte Blendempfindlichkeit mit dem Tragen von Ortho-K-Linsen in Zusammenhang stehen und auch nach der Anwendung bestehenbleiben können, haben andere Studien den Linsen Unbedenklichkeit bescheinigt.

Obwohl Ortho-K-Anwender laut Verkehrsamt Wien am Straßenverkehr teilnehmen dürfen, galten die Linsen lange als unsicher, weil die korrigierte Sicht zum Abend hin, etwa um eine Viertel Dioptrie, abnimmt. 2010 hat eine deutsche Studie ergeben, dass die Fahrtauglichkeit von Ortho-K-Anwendern auf dem gleichen Niveau mit der von Trägern anderer Sehhilfen liegt. Die Teilnehmer wurden auf Tagessehschärfe, Dämmerungssehen und Blendempfindlichkeit getestet, 96 Prozent waren zum Führen eines Fahrzeuges in der Lage.

Laut Berufsverband der deutschen Augenärzte steigt rund ein Viertel der Patienten aus der Therapie wieder aus, weil Ortho-K-Linsen sich am Auge festgesetzt, geschmerzt, nicht rechtzeitig zentriert oder sogar kleinere Verletzungen am Auge verursacht haben. Was bei herkömmlichen Kontaktlinsen ein No-Go ist – das Tragen in der Nacht – ist bei Ortho-K-Linsen Pflicht. Obwohl sie besonders sauerstoffdurchlässig sind, können die Augen in manchen Fällen nur schlecht mit Sauerstoff versorgt werden, weil nachts die Augenlider geschlossen sind. Um Infektionen zu vermeiden, müssen Linsen, Hände und Linsenbehälter regelmäßig sorgfältig gereinigt werden.

Ziemlich teuer

"Die Ortho-K-Linsen funktionieren sehr gut, werden in Österreich jedoch selten angepasst", sagt Bastel. Dass die Nachfrage nicht größer ist, liege am höheren Aufwand, den regelmäßigen Kontrollen und den Kosten. Im Institut Contacta zahlen Ortho-K-Anwender eine jährliche Pauschale von etwa 600 Euro, die Linsen selbst sowie die Kontrollen sind darin inkludiert. Hinzu kommen noch Ausgaben für Reinigungsmittel.

"Tagsüber ist diese Art der Korrektur natürlich hervorragend, man braucht keine Brille, keine Kontaktlinsen und das ohne Operation", sagt Bastel. Wer mögliche Nebenwirkungen, Aufwand und Preis in Kauf nehmen will oder Angst vor einer Laser-OP hat, für den sind Nachtlinsen ein Weg zum scharfen Blick. (Bernadette Redl, 6.8.2016)