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Präsident Wladimir Putin beim iranischen geistlichen Führer Ali Khamenei in Teheran im November 2015: Beide unterstützen das Regime in Syrien, aber mit unterschiedlichen strategischen Zielen.

Foto: Reuters/Sputnik

Moskau/Teheran/Wien – Der Nahe Osten ist im Moment wie Treibsand: Der strategische Boden ist in ständiger Bewegung, wann und in welcher Position er sich wieder festigt, gänzlich unklar. Klar hingegen ist, um wen die Verschiebungen – im Fall der Türkei – oder Vertiefungen – beim Iran – im Moment stets kreisen: um Russland.

Die Neuigkeit dieser Woche ist, dass der Iran die Militärbasis Noje (Hamadan) für russische Bomber auf dem Weg nach Syrien geöffnet hat. Auch am Donnerstag flog die russische Luftwaffe von Noje aus wieder Angriffe, nach eigenen Angaben auf Stellungen des "Islamischen Staats" bei Deir al-Zor. Die militärischen Vorteile sind evident: Die russischen Flieger, die teilweise nicht in der Luft betankbar sind, ersparen sich an die tausend Meilen und können schwerere Bombenlasten tragen.

Die große Frage ist, ob es sich um langfristige strategische Weichenstellungen handelt oder doch nur um taktische Züge der Akteure, die sich in Stellung bringen, bevor es zu einer politischen Lösung in Syrien kommt. Im ersten Fall würde sich für die USA und die Nato viel ändern, nämlich wenn die Türkei mit ihrer Annäherung an Russland ernst macht.

Alle gegen den IS

Schon gibt es die ersten Stimmen aus Moskau, die davon fantasieren, dass die russische Luftwaffe nach Noje auch das türkische Incirlik benützen könnte: Das ist zwar völlig unrealistisch, denn Incirlik ist auch Nato-Basis, wo US-Atomwaffen lagern, und die russisch-türkischen Differenzen zu Syrien sind ja keineswegs ausgeräumt. Aber das russische Argument dafür ist vielsagend: Es würde sich um eine Zusammenarbeit gegen den IS handeln. Ist das nicht ganz im Sinne der USA? Will nicht der am Ende seiner Amtszeit angelangte Präsident Barack Obama der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton den großen Dienst erweisen, den IS entscheidend zu schlagen? Die sprichwörtliche Ente sieht mehr als lahm aus.

Verstoß gegen Sanktionen?

Die USA, die selbst in bereits Monate dauernden Gesprächen mit Moskau über eine Zusammenarbeit in Syrien stehen, können ihre Überraschung über die neue iranisch-russische Militärschiene kaum verbergen. Moskau widerspricht jedoch heftig Vorwürfen, dass die Kooperation gegen das vom Uno-Sicherheitsrat 2015 bestätigte Waffenembargo gegen den Iran verstoßen könnte. In Noje würden die russischen Bomber für den Syrien-Einsatz nur aufgetankt, heißt es auch aus Teheran.

Für den Iran ist es ein großer Schritt: Die militärische Unabhängigkeit und das Verbot von fremden Militärbasen sind sogar in der Verfassung der Islamischen Republik verankert. Schon der 1979 gestürzte Schah hatte bei aller strategischen Partnerschaft die USA nie seine Stützpunkte benützen lassen. Und Russen – Sowjets – hatte der Iran zuletzt während des Zweiten Weltkriegs ab 1941 im Land, nicht freiwillig: Es dauerte lange, bis die Sowjets ihre Vereinnahmungspläne für den Iran oder zumindest Teile davon aufgaben.

Die iranische Führung ließ die russische Präsenz durch dem religiösen Führer nahestehende Personen, wie etwa Ex-Außenminister Ali Akbar Velayati, argumentieren, um der Entscheidung besondere Legitimität zu verleihen. Der Iran scheint der Einladende gewesen zu sein. Den Hintergrund muss man wohl im Vorjahr suchen: Nach dem direkten russischen militärischen Eingreifen in Syrien hatte Teheran Gewicht verloren, es wurde sogar iranische Kritik an den Russen laut, das Verhältnis galt als gestört. Bevor nun über Syrien entschieden wird, sucht der Iran einen sicheren Platz im russischen Boot.

Dazu kommt die iranische Frustration angesichts der sich nur langsam einstellenden Früchte des Atomdeals und des gleichbleibenden westlichen Misstrauens, das mehr wirtschaftliches Engagement im Iran verhindert. Im benachbarten Irak gibt es Versuche, vor dem Kampf um Mossul die iranische Rolle zu beschneiden, um die Sunniten im Irak und in der arabischen Welt zu beruhigen: Der Iran zeigt nun seinem Gegner im regionalen Hegemonialstreit, Saudi-Arabien, dass es mit Moskau andere Optionen hat.

Für Russland ist es hingegen günstig, den Iran zu umarmen, bevor er sich allen anderen zu sehr öffnet, nicht nur dem Westen, sondern auch China. Genau das könnte aber für den Iran zum Schuss ins eigene Knie werden, denn letztlich benötigt er eine breiter angelegte Öffnung für eine nachhaltige Entwicklung – und dafür den Westen.

Und auch die Unterschiede, was die Interessen in Syrien betrifft, bleiben bestehen. Der Iran braucht zur Aufrechterhaltung seines Einflusses das Assad-Regime mehr als Russland: Für Moskau ist Assad nur ein Instrument seiner Nahostpolitik. Russland ist in Syrien, um dort zu bleiben, und das ist nicht im iranischen Sinne. (Gudrun Harrer, 19.8.2016)