Rotten Tomatoes zeigt ausschließlich, ob Filme "sehenswert" sind – und gehört zwei großen Filmkonzernen

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Ein Kinobesuch steht an. Vor dem Erwerb des Tickets wird schnell im Netz überprüft, ob sich der Filmbesuch lohnt: So nutzen immer mehr Menschen Portale wie Rotten Tomatoes, Metacritic oder IMDb, auf denen gesammelte Bewertungen zu Filmen und anderen Inhalten veröffentlicht werden. Unter jungen Nutzern sollen mindestens 41 Prozent auf derartige Seiten klicken, bevor sie sich einen Film ansehen. Das fand das US-Marktforschungsinstitut Nielsen heraus, und zwar bereits im Jahr 2013. Es ist zu vermuten, dass dieser Prozentsatz mittlerweile gestiegen ist. Die Seiten versprechen Usern, die Qualität eines Filmes schnell und einfach einschätzen zu lassen – unterstützt durch die "Schwarmintelligenz" von wahlweise Kritikern oder anderen Usern. Doch dabei gibt es mehr als einen Haken.

In der Hand von großen Konzernen

So gehören alle drei beliebten Bewertungsseiten zu großen Konzernen: Amazon schnappte sich bereits 1998 die Webseite IMDb.com; 2005 erwarb die CBS Corporation die Plattform Metacritic; und Rotten Tomatoes gehört über den Ticketverkäufer Fandango den beiden großen Filmstudios NBCUniversal und Warner Bros. Logischerweise haben all diese Multikonzerne ein Interesse daran, eigene Produkte möglichst gut bewertet zu sehen. Ob die Bewertungsplattformen diese Agenda bei Ratings umsetzen, ist unklar. Aber ganz abgesehen davon können eigene Produkte natürlich – egal, wie sie bewertet werden – prominent auf den viel besuchten Webseiten platziert werden.

Unterschiedliche Ansätze

Überprüfen lassen sich die Vorwürfe der Beeinflussung nicht, da alle drei Seiten ihre Algorithmen geheim halten. Prinzipiell unterscheiden sich die Seiten in ihrem Ansatz radikal. Metacritic übersetzt Rezensionen von Kritikern in eine numerische Zahl; anschließend wird der Durchschnitt aller Kritiken berechnet. Hier ist schon einmal unklar, ob der Metacritic-Mitarbeiter die schriftliche Rezension "korrekt" in eine Zahl überführt. Teilweise ist das wohl gar nicht möglich.

Rotten Tomatoes entscheidet hingegen "nur", ob ein Film vom Kritiker als "sehenswert" oder eben nicht eingestuft wird. Das fördere aber das Mittelmaß, argumentieren Kritiker wie der Blog B-Roll auf Kino-Zeit.de. Logisch: Wenn ein Film ganz knapp überdurchschnittlich ist, aber sich alle Kritiker darin einig sind – dann bekäme er auf Rottentomatoes eine volle Punktzahl. IMDB.com setzt hingegen auf User-Bewertungen, wobei bestimmte Nutzergruppen bevorzugt gewichtet werden sollen.

Tendenziell konservativ

Es würden die "tendenziell konservativen Vorlieben der Nutzer, unter denen besonders viele Männer sind" widergespiegelt werden, schrieb die Süddeutsche Zeitung über IMDb. Sichtbar war das beispielsweise bei der Aufregung über die Neuauflage von "Ghostbusters", die auf weibliche Hauptdarstellerinnen setzt.

Im Sommer 2017 kam es dann zu einer ganzen Reihe von negativen Bewertungen bei Rotten Tomatoes. Nahezu alle großen Blockbuster wurden von Kritikern verrissen. Analysten vermuteten daraufhin einen Zusammenhang zwischen den Bewertungen und schlechten Einspielergebnissen an der Kinokassa. Das wurde nun jedoch von einer Studie widerlegt. Der Datenanalyst Yves Bergquist untersuchte den Zusammenhang zwischen den Rotten Tomatoes-Prozentwerten und dem Umsatz der Filme. "Rotten Tomatoes spielte nie eine sehr große Rolle im Bezug auf die Performance bei Ticketverkäufen, weder positiv noch negativ", so Bergquist.

So nützlich diese Portale bei der schnellen Einordnung eines Filmes auch sein mögen, Nutzer sollten die Verflechtungen der Seiten und potenzielle Bias jedenfalls im Hintergrund behalten. Schließlich bevorzugen die Systeme, auch wenn sie nicht manipuliert werden, das Mittelmaß, argumentiert etwa der Filmkritiker Philip Conklin auf ThePeriphery. Man sollte jedenfalls nicht vergessen, dass es auch Freude bereiten kann, einmal gegen den Strom zu schwimmen – und einen von vielen Nutzern oder Kritikern verrissenen Film zu seinem persönlichen Favoriten zu erklären. (fsc, 23.9.2017)