Der Tempel von Yeha geht auf die Sabäer zurück, die bereits um 800 vor unserer Zeitrechnung im heutigen Äthiopien siedelten.

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Jena – Nicht zuletzt aufgrund der Geschichten rund um die Königin von Saba umgibt die Sabäer etwas Geheimnisvolles – auch wenn bis heute unklar ist, ob zwischen der biblischen Herrscherin und den Sabäern ein historischer Zusammenhang besteht. Viel weiß man bis heute nicht über das antike semitische Volk im Südwesten der Arabischen Halbinsel. Die ältesten assyrischen Quellen berichten bereits vor über 2.300 Jahren von ihnen. Meist werden sie, etwa im Alten Testament und bei den Griechen, als erfolgreiche Weihrauch-Händler beschrieben. Bei den Römern galten sie gar als das wohlhabendste Volk in Arabien.

Weniger bekannt ist, dass die Sabäer jenseits des Golfes von Aden im heutigen Äthiopien monumentale Bauten hinterlassen haben: Wie Gebäude aus einer fremden Welt stehen der Tempel von Yeha und der etwa 200 Meter von ihm entfernte Grat Be´al Gebri im nördlichen Hochland des ostafrikanischen Landes. Während die Originalmauern des Kultbaus für den sabäischen Gott Almaqah fast 15 Meter in den Himmel ragen, reichen die Wände des Verwaltungsgebäudes sogar 27 Meter in die Höhe. So eindrucksvoll die beiden Bauwerke sind, so rätselhaft ist ihre Geschichte.

Nach Afrika ausgewandert

Nun soll ein Team von deutschen Wissenschaftern der spektakulären archäologischen Stätte auf den Grund gehen. "Wir wissen, dass die beiden Gebäude von den Sabäern errichtet wurden", sagt Norbert Nebes von der Universität Jena, der gemeinsam mit seiner Kollegin Iris Gerlach vom Deutschen Archäologischen Institut (DAI) das Projekt leitet. Einige Vertreter dieses Volkes siedelten bereits 800 vor unserer Zeitrechnung vom Gebiet des heutigen Jemen nach Äthiopien über – wahrscheinlich um näher an den Quellen beliebter Handelsgüter wie Weihrauch, Gold und Elfenbein zu sein, erklären die Forscher.

Dank früherer Projekte weiß man heute, dass zur Errichtung der Bauten offenbar erhebliche Lasten bewegt wurden. Die massiven Steinblöcke, aus denen der Tempel für den sabäischen Hauptgott besteht, stammen aus einem etwa 100 Kilometer entfernten Steinbruch. Weniger bekannt ist dagegen, wie sich etwa die Beziehungen zwischen der Heimat der Sabäer und den afrikanischen Niederlassungen gestaltete. Aufklärung könnten allerdings die rund 200 in Afrika hinterlassenen sabäischen Inschriften bringen, die Nebes und sein Team in den kommenden Jahren näher untersuchen wollen.

"Auffällig ist, dass uns die sabäischen Schriftzeugnisse aus Äthiopien einige Informationen über die Beziehungen zum Mutterland liefern – so wissen wir etwa, dass die Steinmetze der Gebäude in Yeha aus der sabäischen Hauptstadt Marib kommen. Auf der anderen Seite besitzen wir keine Dokumente aus Südarabien, die über die Auswanderer in Äthiopien berichten", sagt Nebes.

Kulturausstausch mit der einheimischen Bevölkerung

Nicht weniger interessant ist die Frage, wie sich das Zusammenleben zwischen den Übersiedlern und der einheimischen Bevölkerung gestaltete. "Anhand der Inschriften können wir bisher zumindest gut erkennen, dass es einen Kulturaustausch gegeben hat", erklärt der Jenaer Epigraphiker. "So nennen die sabäischen Einwanderer beispielsweise in ihren Königstitulaturen immer die matrilineare, also die von der Mutter ausgehende Abstammung, was in Arabien nicht gebräuchlich war."

Im Rahmen des neuen Projektes wollen die Altertumswissenschaftler auch ethnohistorische Forschungen durchführen und mündliche Überlieferungen von der jetzt dort lebenden Bevölkerung sammeln. So könnten etwa in Namen noch Spuren des Südarabischen erhalten geblieben sein.

Rätselhaftes Verschwinden

Vielleicht finden die Forscher so auch eine Lösung für das Rätsel, wie die sabäische Besiedlung in der Region endete. "In der Mitte des 1. Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung verschwinden die äthio-sabäischen Könige in Tigray schlagartig von der Bildfläche", sagt Nebes. "Warum, wissen wir nicht genau. Vermutlich hängt diese Entwicklung damit zusammen, dass die Sabäer in dieser Zeit auch in Südarabien ihre Vorherrschaft verlieren und auf ihre Kerngebiete zurückgedrängt werden." Etwa 500 Jahre nach dem Verschwinden der Sabäer übernimmt das Aksumitische Reich in der Region die Vormachtstellung. Was in der Zwischenzeit passierte, liegt ebenfalls im Dunkeln. (red, 28.8.2016)