Bild nicht mehr verfügbar.

Lucy, fein säuberlich in ihren Knochenfragmenten aufgelegt. Die Brüche deuten auf einen Fall aus zwölf Metern Höhe hin.

Foto: AP/Michael Stravato

Bild nicht mehr verfügbar.

So könnte Lucy einmal ausgesehen haben.

Foto: AP/Pat Sullivan
UT Liberal Arts

Austin/Wien – In Äthiopien wird das Fossil als "dinknesh" bezeichnet, was so viel wie "Du Wunderbare" bedeutet. Die Wissenschaft ordnet es nüchtern der Vormenschenart Australopithecus afarensis zu. Und in der Öffentlichkeit kennt man den Fund unter jenem Kosenamen, den ihm die Entdecker um Donald Johanson 1974 gegeben haben: Lucy. (Der Beatles-Song "Lucy in the Sky with Diamonds" lief nämlich bei den Grabungen als Dauerberieselung.)

Lucy ist das wahrscheinlich bekannteste Vormenschenfossil und ist entsprechend gut erforscht: Man weiß, dass Lucy vor 3,2 Millionen Jahren in der Afar-Region im heutigen Äthiopien lebte, vermutlich weiblichen Geschlechts war und beim Zeitpunkt des Todes vermutlich 25 Jahre alt und etwas über einen Meter groß war.

Verräterische Frakturen

Doch nicht in allen Fragen herrscht Konsens unter den Experten. So ist zum einen das Verwandtschaftsverhältnis von Lucy zur Gattung Homo nicht restlos geklärt: Wahrscheinlich waren Lucy und Artgenossen keine direkten Vorfahren des Menschen. Zum anderen ist nicht unumstritten, wie gut der Australopithecus afarensis aufrecht gehen konnte.

An all diesen Problemen ist auch ein Team um John Kappelman (Uni Texas) interessiert, das über computertomografische Aufnahmen der Knochen verfügt. Die Forscher wurden bei ihren Untersuchungen aber auf etwas anderes aufmerksam: Beim Knochenstudium zeigten sich an einigen der insgesamt 46 Knochen Frakturen, wie sie nach Sturzverletzungen zu finden sind.

Am rechten Oberarmknochen etwa bemerkten die Forscher zahlreiche scharfe Bruchkanten und kleine abgesplitterte Knochenfragmente, die noch an Ort und Stelle lagen. Wären die Brüche nach dem Tod entstanden, würde man eine Verschiebung der Fragmente erwarten. Auch an anderen Knochen fanden sie ähnliche Brüche, die alle auf ein schweres Trauma hinwiesen.

Tödliche Verletzung

Wie Kappelman und Kollegen nun im Fachblatt "Nature" schreiben, dürfte Lucy von einem Baum gefallen und auf hartem Boden aufgeschlagen sein. Die Frakturen legen nahe, dass sie dabei auf die Füße fiel, nach vorne stürzte und dabei versuchte, den Fall abzufangen. Der Sturz dürfte aus einer Höhe von zwölf Metern erfolgt und aufgrund der inneren Verletzungen tödlich gewesen sein.

Womöglich hat Lucy im Baum nach Nahrung und nachts Schutz gesucht. Bei allem Mitgefühl für den Todessturz findet es Kappelman "ironisch", dass just jenes Fossil, das im Zentrum einer Debatte über die Rolle des Baumlebens und des aufrechten Gangs in der menschlichen Evolution steht, vermutlich von einem Baum zu Tode stürzte. (tasch, 29.8.2016)