Durch die rot-weiß-rote Brille auf internationale Atomkraftwerke zu schauen kann den Blick verzerren. Hierzulande hört man förmlich hinter jedem Eck AKW-Katastrophen und Sondermülldesaster wachsen. Im Falle des britischen Meilers Hinkley Point bedarf es keiner österreichischen Sichtweise, um das Projekt zu verurteilen. In erster Linie hat das aber wirtschaftliche Gründe.

Großbritannien lässt das mit 21 Milliarden Euro veranschlagte Bauvolumen für zwei Reaktoren zwar privat aufstellen, garantiert dem französisch-chinesischen Errichterkonsortium aber die Rückflüsse. Angesichts des stark gesunkenen Strompreises liegt auf der Hand, dass Steuerzahler und Konsumenten Hinkley Point mit Milliardensubventionen am Leben erhalten werden müssen. Mit Investitionen in erneuerbare Energie wäre die Rechnung mit Sicherheit kleiner ausgefallen. Schlimm genug, dass London der Bevölkerung diese Belastung zumutet; noch schlimmer, dass die sonst so gestrengen EU-Wettbewerbshüter kein Problem mit den Beihilfen hatten; und gut, dass Österreich – unabhängig von den Motiven – Klage gegen die Entscheidung beim Europäischen Gerichtshof eingereicht hat.

Vor kurzem hatte es noch so ausgesehen, als würde die gegenüber Hinkley Point kritische Premierministerin Theresa May das Projekt abwürgen. Doch in Brexit-Zeiten war die drohende Verstimmung mit Paris und Peking zu brenzlig. Der ökonomische Wahnsinn nimmt seinen Lauf. (Andreas Schnauder, 15.9.2016)