Die für die Studie verwendeten Lebenslaufbilder: dreimal dieselbe Frau, dreimal unterschiedliche Chancen auf ein Bewerbungsgespräch. Ganz links Sandra Bauer, in der Mitte Meryem Öztürk ohne und rechts Meryem Öztürk mit Kopftuch.

Foto: Screenshot IZA DP No. 10217

Muslima Asma Aiad über Diskriminierung vor allem am Arbeitsmarkt.

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Sandra Bauer kriegt den Job, Meryem Öztürk nur eine Absage. Circa so könnte man die Ergebnisse von Ökonomin Doris Weichselbaumer der Uni Linz zusammenfassen. Für den großangelegten Feldversuch im Auftrag des Institut zur Zukunft der Arbeit wurden 1.500 fiktive Bewerbungen – einmal im Namen Bauer und einmal im Namen Öztürk – an Unternehmen in Deutschland verschickt und dann die Rückmeldungen der Personalabteilungen analysiert. In der Zusammenfassung heißt es ganz deutlich: "Die Ergebnisse weisen eindeutig auf die – bewusste oder unbewusste – Diskriminierung von Bewerberinnen mit Kopftuch und Migrationshintergrund hin."

Mit Kopftuch schlechtere Chancen

Die fiktiven Lebensläufe von Sandra Bauer und Meryem Öztürk waren identisch: Sowohl gleiche Qualifikationen als auch Fotos von derselben Person wurden versendet. Sandra Bauer wurde bei diesem Versuch in 18,8 Prozent der Fälle eingeladen, bei Meryem Öztürk kam es nur in 13,5 Prozent zum Bewerbungsgespräch. Krasser fiel der Unterschied aus, wenn Öztürk mit Kopftuch abgebildet war: In nur 4,2 Prozent gab es eine positive Antwort. Um eingeladen zu werden, musste sich Öztürk 4,5-mal häufiger bewerben als Sandra Bauer. Für Studienautorin Weichselbaumer ist dieser Wert "außerordentlich".

Auffällig auch: Mit steigendem Qualifikationsniveau nahm die Diskriminierung zu. Musste sich Öztürk für eine Stelle als Sekretärin 3,5-mal häufiger bewerben als Bauer, waren es für eine Stelle als Bilanzbuchhalterin 7,6-mal mehr Bewerbungen für die kopftuchtragende Bewerberin.

In Österreich ähnliche Situation

Keinen Effekt übte die Größe des Unternehmens aus oder die Tatsache, ob die Firma international ausgerichtet ist. Die einzig positive Nachricht: In Ausschreibungen, in denen interkulturelle Kompetenz oder eine interkulturelle Belegschaft erwähnt wurde, erhöhten sich die Chancen für die fiktive Bewerberin Öztürk um fast 40 Prozent. Allerdings wird interkulturelle Kompetenz nur in wenigen Firmen als Bewerbungskriterium angegeben.

Und in Österreich? Auch hier hat Weichselbaumer schon Feldversuche durchgeführt und kam zu ähnlichen Ergebnissen: Eine Nigerianerin etwa muss sich doppelt so oft für eine Position als Personalverrechnerin oder als Assistentin der Buchhaltung bewerben, bis sie zu einem Vorstellungsgespräch kommt, als eine Österreicherin. Etwas besser ergeht es Chinesen, Türken und Serben – am höchsten bleibt aber immer der Rücklauf für die Österreicher. Diese Studie erschien bereits 2013.

Als Lösung werden oft anonymisierte Bewerbungsverfahren genannt. Weichselbaumer steht diesem Instrument ambivalent gegenüber: "Es gibt sowohl Studien, die einen positiven Effekt feststellen, als auch das Gegenteil." Vorstellbar sei etwa, dass manche dann nach dem Gespräch diskriminierend auswählen. Fest stehe aber, dass das Ausmaß an Bewerbungsunterlagen im deutschsprachigen Raum enorm sei. "Wir sollten uns fragen, ob es ein Foto braucht oder ob es nur eine kulturelle Gewohnheit ist." Viel wichtiger sei es, an gesellschaftlicher Akzeptanz und Offenheit zu arbeiten, sagt die Studienautorin. (lhag, 20.9.2016)