Die erhöhte Position hilft den fleischfressenden Schwämmen offenbar bei der Beutejagd.

Foto: Tomas Lundälv, Sven Lovén Center, Universität Göteborg, Schweden

Ungewöhnlich ist, dass Cladorhiza corallophila ausschließlich auf Kaltwasserkorallen besiedelt.

Foto: Tomas Lundälv, Sven Lovén Center, Universität Göteborg

Frankfurt/Wilhelmshaven – Typischerweise stellt man sich einen Meeresschwamm als mehr oder weniger undifferenziertes, von zahlreichen Poren durchzogenes Gebilde vor, das von Schwebstoffen lebt, die es aus dem Wasser filtert. Doch es gibt auch andere, extravagantere Vertreter der Porifera, wie dieser urtümliche Tierstamm wissenschaftlich heißt: Biologen haben nun vor der westafrikanischen Küste eine neue Art aus der Schwammfamilie Cladorhizidae entdeckt, der sich von Fleisch ernährt. Der Schwamm lebt ausschließlich auf Kaltwasserkorallen, was für diese Schwammgruppe ungewöhnlich ist.

Wann ist ein Schwamm ein Schwamm? Diese Frage kann man sich durchaus stellen, wenn einem ein Exemplar der Familie Cladorhizidae ins Fangnetz gerät. "Die Arten dieser Schwämme haben weder ein wasserdurchlässiges Porensystem noch Geißelzellen – beides eigentlich typische Charakteristika von Schwämmen", erklärt Dorte Janussen vom Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt. Dass es sich bei den Organismen dennoch um Schwämme handelt, haben genetische Untersuchungen und das Vorhandensein von Kieselnadeln bewiesen.

Janussen hat nun gemeinsam mit ihrem wissenschaftlichen Mitarbeiter Christian Göcke und einem deutsch-norwegischen Team eine neue Art dieser Hornkieselschwämme vor der Küste Mauretaniens entdeckt. Die nun im Fachjournal "Zootaxa" beschriebene Spezies Cladorhiza corallophila wurde während einer Expedition mit dem Forschungsschiff Maria S. Merian im Jahr 2010 in einer Wassertiefe von 512 Metern gesammelt.

Ungewöhnliche Korallenliebe

Der Beiname corallophila, also "korallenliebend", ist beim neuen Fund Programm: Wie Unterwasseraufnahmen mit dem Tauchroboter zeigen, sind die Schwämme ausschließlich auf Kaltwasserkorallen zu finden. "Die neu beschriebene Art lebt direkt auf den Korallen Lophelia pertusa und Madrepora oculata. So eine spezielle Besiedlung war uns bisher aus dieser Organismengruppe nicht bekannt", erklärt Göcke.

Die Forschenden gehen davon aus, dass die Schwämme durch die Wahl ihres Substrates besser an ihre Nahrung gelangen, denn auch hier zeigt die Neuentdeckung eine Besonderheit: Die maximal zehn Zentimeter großen weiß-gelben Schwämme sind Fleischfresser. "Wir glauben, dass Cladorhiza corallophila durch die höhere Position zum einen nur schwer durch aufgewirbeltes Meeressediment bedeckt werden kann und zum anderen näher an potentiellen Beutetieren – zum Beispiel Ruderfußkrebse – ist", ergänzt Janussen.

Fleischfresser trotz nährstoffreicher Umgebung

Fleischfressende Schwämme sind bisher hauptsächlich aus nährstoffarmen Gewässern, vor allem aus der Tiefsee, bekannt – hier haben die Schwämme nicht die Möglichkeit ausreichend Nahrung durch Filtration aufzunehmen und haben entsprechend ihre Nahrungsmethode angepasst. "Vor Mauretanien haben wir aber extrem nährstoffreiche Gewässer", sagt Göcke. "Dennoch sind die kleinen carnivoren Schwämme offensichtlich hier gegenüber anderen potentiellen Besiedlern durch den Aufwuchs auf den Korallen im Vorteil." (red, 24.9.2016)