Von einem historischen Moment war die Rede, als Ende September 2015 die Generalversammlung der Vereinten Nationen 17 Ziele zur nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) beschloss. In einem dreijährigen Prozess haben sich 193 Regierungen unter anderem dem konsequenten Kampf gegen Armut und Hunger, für gute Arbeit, sauberes Wasser, ökologische und leist-bare Energie, Bildung für alle, Geschlechtergerechtigkeit und nachhaltiger Stadtentwicklung verpflichtet. Auch der Abbau von Ungleichheit und der Kampf gegen den Klimawandel werden prominent formuliert.

Die Ziele sind Teil der sogenannten "2030 Entwicklungsagenda", sie sollen also das Regierungshandeln der kommenden 15 Jahre anleiten. Sie werden in 169 Unterzielen operationalisiert. So sollen etwa die Subventionen für fossile Energien oder für Agrarexporte auslaufen. Waren die 2000 verabschiedeten Entwicklungsziele zur Jahrtausendwende (Millennium Development Goals, MDGs) noch stark auf die Länder des globalen Südens hin und an klassischen Entwicklungsthemen ausgerichtet, so verpflichten die SDGs alle Länder und geben sozialökologischen Fragen einen hohen Stellenwert.

Transformation der Welt zum Besseren

Der Anspruch der Regierungen ist sehr weitgehend: "Wenn wir unsere Ambitionen in allen Bereichen der Agenda verwirklichen können, wird sich das Leben aller Menschen grundlegend verbessern und eine Transformation der Welt zum Besseren stattfinden."

Wer sollte gegen die genannten Ziele sein? Entscheidend ist natürlich die Umsetzung, und dann geht es um Fragen der Finanzierung, des politischen Willens, des Kampfes gegen die mächtigen Interessen der Ölkonzerne, der Unternehmen mit schlecht bezahlter oder gar sklavenähnlicher Arbeit, um die Ernsthaftigkeit der reichen Länder, ihre für andere nachteiligen Freihandelspolitiken einzuschränken und ihre Lebensweise auf Kosten anderer zu ändern. Es geht dann weniger um möglichst genaue Indikatoren, sondern um Fragen von Macht – die wiederum sind ein blin- der Fleck in den formulierten Strategien.

Wenn wir in einigen Jahren zurückblicken, könnten die SDGs und ihre erfolgreiche Umsetzung als Meilenstein verstanden werden. Oder aber als kurzer Lichtblick kooperativer globaler Politikformulierung, der dann rasch nationalen Egoismen und business as usual zum Opfer fiel. Letzteres hätte ohne Zweifel dramatische Auswirkungen auf den gesamten Planeten.

Ökologische Krise

Damit die SDGs ein Erfolg werden, müssten die globalen politischen Eliten verstehen, dass die Vertiefung der Globalisierung und des wirtschaftlichen Wachstums um jeden Preis immer weniger funktioniert. Dies ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund der ökologischen Krise der Fall, aber auch angesichts der Tatsache, dass Konkurrenz und Wachstumsfixierung immer mehr Ungleichheit und damit gesellschaftliche Instabilität schaffen.

Zweitens müssten die mächtigen Staaten begreifen, dass die imperiale Politik der Kontrolle großer Weltregionen nicht mehr gelingt. Das sehen wir gegenwärtig im Nahen Osten und der dortigen Vertreibung von Millionen von Menschen. Frieden und Gerechtigkeit, die als 16. Nachhaltigkeitsziel genannt werden, kann man nicht mit Waffen schaffen.

Drittens wird bei einer erfolgreichen Umsetzung der Uno-Ziele ein Mechanismus hoffentlich bald der Vergangenheit angehören: Krisen in ihren negativsten Auswirkungen tendenziell in andere Regionen, nämlich jene des globalen Südens zu externalisieren. Oder, wie im Falle von Klimawandel und Atommüll, in die Zukunft.

Kein Anlass zu großem Optimismus

Natürlich ist es nach einem Jahr zu früh, Bilanz zu ziehen. Aber erste Tendenzen sind bereits zu erkennen, die nicht unbedingt zu großem Optimismus Anlass geben. Im Unterschied zur Schweiz oder zu Deutschland, wo sich inzwischen eine intensive Debatte auf Regierungsebene, in der Zivilgesellschaft und Wissenschaft entwickelt hat, geht der Prozess in Österreich eher verhalten los. Mit beträchtlicher Verzögerung wurde die Umsetzung der Agenda von der Bundesregierung an die Ministerien delegiert, wobei laut Ministerratsvortrag die Nachhaltigkeitsziele lediglich in die relevanten Strategien und Programme zu integrieren bzw. gegebenenfalls entsprechende Aktionspläne und Maßnahmen auszuarbeiten sind.

Eine übergreifende gesamtstaatliche Strategie und Verpflichtung der Regierung, die der globalen Bedeutung der Ziele entspräche, gibt es nicht. Eine interministerielle Arbeitsgruppe koordiniert einen Fortschrittsbericht zur Umsetzung der SDGs. Zu befürchten ist, dass die Ministerien lediglich bestehende Aktivitäten einmelden und die Umsetzung sich in PR-Maßnahmen erschöpft.

Darüber hinaus ist bislang kein Bemühen zu erkennen, die Agenda in die breite Öffentlichkeit zu tragen, geschweige denn zum handlungsleitenden Maßstab für eine wirklich zukunftsträchtige Politik zu machen. Fern scheinen somit die Tage, als Österreich im Anschluss an die UN-Umwelt- und Entwicklungskonferenz von Rio im Jahr 1992 mit einer Vielzahl von politischen Initiativen, Forschungs- und Bildungsprogrammen auf nationaler und lokaler Ebene zu einer Vorreiterin nachhaltiger Entwicklung wurde.

Gerade dies wäre aber notwendig, um die Vielzahl der drängenden globalen Herausforderungen, die gerade auch ein kleines Land wie Österreich treffen, endlich anzugehen. (Ulrich Brand, Werner Raza, 25.9.2016)