Roland Düringer will also ins Parlament. Vergangene Woche wurde die Satzung seiner neu gegründeten Partei "Meine Stimme gilt" beim Innenministerium hinterlegt. Zwar ist noch nicht klar, wie ernst dieses Unterfangen zu nehmen ist, doch bietet es einen guten Anlass, über die Hürden für neue politische Parteien in Österreich nachzudenken.

Was die institutionellen Rahmenbedingungen angeht, ist Österreich ein relativ günstiges Terrain für politische Start-ups. Die formale Registrierung einer neuen Partei ist denkbar unkompliziert. Für das bundesweite Antreten bei Nationalratswahlen braucht man 2.600 Unterstützungserklärungen (zwischen 100 und 500 pro Bundesland). Das ist weniger als ein halbes Zehntelprozent aller Wahlberechtigten. Auch die Sperrklausel für den Einzug in den Nationalrat ist mit vier Prozent im internationalen Vergleich nicht allzu hoch.

Roland Düringer will mit seiner Partei ins Parlament einziehen.
Foto: apa/Pfarrhofer

Dazu kommt, dass Österreich ein kleines Land ist, das über eine einigermaßen diverse Medienlandschaft – zumindest im Printbereich – verfügt. All diese Faktoren sollten das Entstehen neuer Parteien mit realistischen Wettbewerbschancen begünstigen. Zudem kommen auch Parteien, die an der Vierprozenthürde scheitern, in den Genuss einer Wahlkampfkosten-Rückerstattung, solange sie mehr als ein Prozent der Stimmen erhalten.

Tatsächlich sind im Parteienverzeichnis des Innenministeriums bis dato über 1.000 Parteien registriert, wobei hier Mehrfachzählungen zu berücksichtigen sind, wenn eine Gruppierung sich unter mehreren Namen eintragen lässt. In einigen Fällen verfügen auch regionale Gliederungen einer bundesweiten Partei über einen eigenen Eintrag.

Die Blütezeit der Parteigründungen war in den 1980er-Jahren, als pro Jahr im Schnitt 37 Neueintragungen erfolgten. Auch in den Neunzigern wurden im Mittel noch 30 Registrierungen im Jahr getätigt. Im folgenden Jahrzehnt waren es dann nur mehr 17 pro Jahr, seit 2010 sind es im Jahresschnitt 25.

Wie aber steht es um den Wahlerfolg neuer Parteien? Zentrales Kriterium hierbei ist, ob es neue politische Kräfte ins Parlament schaffen. Die zweite Grafik zeigt, wie viele Neueinzüge es in etablierten westeuropäischen Demokratien seit 1950 gegeben hat. Die Zahlen beziehen sich auf die zweiten Kammern in Ländern mit demokratischen Systemen ab 1945.

Österreich hat mit fünf neuen Parlamentsparteien seit 1950 (Grüne, LIF, BZÖ, Team Stronach und Neos) einen der niedrigsten Werte (die FPÖ wird hier als Nachfolgerin des 1949 eingezogenen VdU nicht neu gezählt). Nur Deutschland rangiert mit drei Neueinzügen dahinter (GB/BHE, Grüne und PDS/Linke). Tatsächlich verfügten Deutschland und Österreich lange Zeit über zwei der stabilsten Parteiensysteme in etablierten Demokratien. Das ist per se nichts Schlechtes – wenige kämen zum Beispiel auf die Idee, das streckenweise extrem fragmentierte und unübersichtliche italienische Parteiensystem als vorbildhaft zu bezeichnen.

In Österreich gibt es aber eine weitere Besonderheit. Von den fünf neuen Parlamentsparteien seit 1950 sind drei (LIF, BZÖ und Team Stronach) innerparlamentarische Neugründungen. Diese Parteien formierten sich also durch Abspaltungen im Parlament, bevor sie jemals zu einer Wahl angetreten waren. Nur Grüne und Neos schafften als außerparlamentarische Gruppen den Sprung in den Nationalrat.

Vielleicht erklärt das auch den mittel- bis langfristigen Erfolg dieser Parteien. Während sich die Grünen dauerhaft im Parlament etabliert haben und die Neos zumindest bis dato in den Umfragen stabil über der Eingangshürde liegen, ist das BZÖ in der Versenkung verschwunden, das Team Stronach auf dem besten Weg dorthin und das LIF nur durch Vereinigung mit den Neos der politischen Bedeutungslosigkeit entgangen.

Selbst für FPÖ und Grüne hat es aber Jahrzehnte gedauert, in den Ländern Fuß zu fassen. Die Freiheitlichen etwa zogen erst 1988 in den niederösterreichischen Landtag ein, in Kärnten dauerte es für die Grünen bis 2004. Blickt man auf die Gemeindeebene, so ist die Präsenz dieser beiden bundesweit gut etablierten Parteien noch geringer.

Auf Basis der Rechenschaftsberichte der Parteien für das Jahr 2013 lässt sich erheben, in welchen Gemeinden sie über lokale Organisationen verfügen. Diese Angaben bedeuten nicht, dass eine Partei auch im Gemeinderat vertreten ist, die Korrelation zwischen diesen beiden Maßen ist vermutlich aber sehr hoch.

Wie die dritte Grafik zeigt, haben etwa die Grünen 30 Jahre nach ihrem Einzug in den Nationalrat laut Eigenangaben in nur einer von sechs Gemeinden lokale Präsenz. Die FPÖ, die derzeit sämtliche bundesweiten Umfragen überlegen anführt, ist in weniger als der Hälfte aller österreichischen Gemeinden vertreten, nur in Kärnten, Oberösterreich und Salzburg ist sie fast überall präsent. Die SPÖ ist in den meisten Bundesländern lokal stark vertreten, nur in Tirol und Vorarlberg gibt es große Lücken. Die ÖVP ist hingegen die einzige Partei, die im gesamten Bundesgebiet über eine flächendeckende Organisation verfügt. Die Neos haben bisher nur eine geringe Anzahl an Gemeindegruppen, das Team Stronach ist lokal praktisch nicht existent.

Nun kann man mit Recht einwenden, dass eine Partei heutzutage nicht mehr über zigtausende Mitglieder und Organisationsstrukturen bis in jedes Dorf verfügen muss, um in nationalen Wahlen zu reüssieren. Ein gutes Beispiel dafür ist die niederländische Freiheitspartei (PVV), deren einziges Mitglied ihr Parteichef Geert Wilders ist und die nur in wenigen Städten bei Gemeinderatswahlen antritt. Dennoch sind es gerade die Strukturen an der Basis, die einer Partei in Krisenzeiten Stabilität verschaffen.

Wenn wir also die Vergangenheit als Maßstab heranziehen, wäre ein Einzug von Herrn Düringers Liste in den Nationalrat eine große Überraschung. Noch bemerkenswerter wäre es, würde sich diese neue Partei dauerhaft etablieren oder gar in größerem Ausmaß lokale Strukturen aufbauen. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 28.9.2016)