Spanien hat mit rund 2.500 Tieren die größte Wolfspopulation Westeuropas.

Foto: Centro del lobo ibérico

Im Wildpark Centro del lobo ibérico können einige Tiere in Halbfreiheit beobachtet werden.

Foto: Centro del lobo ibérico

Wird er genannt, dann kommt er auch. Das gilt in der spanischen Provinz Zamora nicht nur für den Teufel, sondern auch für den Wolf. Legenden, Aberglauben und tief verankerte Ängste spiegeln sich bis heute in der Sprache der Region wider: Es gibt mehr als 70 Ausdrücke, um über ihn zu reden, ohne ihn zu erwähnen. Noch ist Zamora selbst für viele Spanier ein weißer Fleck auf der Landkarte. Das könnte sich bald ändern, denn die ländliche, dünn besiedelte Provinz 250 Kilometer nordwestlich von Madrid arbeitet an ihrem Ruf als Wolfsgebiet. Zamora will Naturfreunde mit einem neuen Wildpark anlocken. Die Provinz bezieht damit Stellung im Streit zwischen Wolfsfreunden und -feinden.

Spanien hat die größte Wolfspopulation Westeuropas. Nach Angaben des WWF Österreich von 2014 leben auf der Iberischen Halbinsel etwa 2.500 Tiere, davon die meisten in den Bergen von Zamora. Die Gebirgskette Sierra de la Culebra erstreckt sich im portugiesisch-spanischen Grenzland und steht seit 1973 unter Schutz, seit 1998 gehört sie auch zum Natura-2000-Netz, das wildlebende Arten und deren Lebensräume in Europa schützt. Die Gegend ist so gut wie menschenleer und überzogen von Wäldern aus Korkeichen, Edelkastanien und Pappeln und von Strauchlandschaft mit Ginster oder Heidekraut.

Hier hat der Canis lupus signatus, der Iberische Wolf, ideale Lebensräume zum Verstecken und zur Jagd, vor allem auf Kaninchen, Wildschweine und Rotwild. In Europa genießt die Unterart des Wolfs besonderen Schutz, weil sie nur auf der Iberischen Halbinsel vorkommt.

Wolf als Touristenmagnet

In Spanien ist die Lage allerdings widersprüchlich. Landesweit gilt der Iberische Wolf zwar als gefährdet, in Nordspanien ist die Jagd auf ihn aber erlaubt, weil dort der Bestand des Tieres als gesichert gilt. Südlich des Flusses Duero gilt Jagdverbot, denn abgesehen von einer isolierten Gruppe in der andalusischen Sierra Morena leben in Spaniens Südhälfte keine Wölfe.

Zamora liegt in Nordwestspanien, dort darf man Wölfe also abschießen, neuerdings deutlich mehr als zuvor. Die Nachbarprovinz Salamanca hat sogar jüngst erklärt, sie wolle zur "wolfsfreien Zone" werden. "Sie kommen, töten und verschwinden wieder", sagte ein Regionalpolitiker, "niemand hat etwas von ihnen." Das könnte sich jetzt ändern: Der neue, 21 Hektar große Wildpark Centro del lobo ibérico und andere naturnahe Freizeitangebote sollen der strukturarmen Gegend mehr Besucher bringen und Arbeitsmöglichkeiten für die Menschen schaffen. Letztlich soll der Wolf also mithelfen, die Entvölkerung zu bremsen, ein großes Problem in ganz Spanien.

Vor allem soll das Gehege das Image des Tieres verbessern und den Menschen zeigen, dass auch ein lebender Wolf Nutzen bringen kann. Das Zentrum, in dem man die Tiere in Halbfreiheit beobachten und viel über sie erfahren kann, liegt mitten in einem öffentlichen Jagdreservat, das mit 67.000 Hektar fast so groß wie die ganze Gebirgskette ist.

Das Verhältnis zwischen Mensch und Wolf ist gespannt. Während Tierfreunde im Wildpark mit dem Fernglas auf die Pirsch gehen und sich über Wolfswelpen freuen, schätzen Jäger im Reservat die Tiere vor allem als Trophäe. Bei vielen Dörflern sind die Jagdgesellschaften beliebt, denn sie bringen Besucher und Geld, und das schon seit den Zeiten von Diktator Francisco Franco, der selbst ein Jagdliebhaber war. "Jäger vermitteln den Einheimischen", so eine Sprecherin der Umweltbehörde von Kastilien und León, "dass der Wolf nicht nur Schaden anrichtet."

"Zoologischer Rassismus"

Der Schaden bezieht sich auf gerissene Schafe, der allerdings mit Ausgleichszahlungen beglichen wird. Trotzdem hegen vor allem Viehzüchter Misstrauen. Noch in den 1970er-Jahren galt der Wolf in der Gegend als Plage. Wer einen erlegte, konnte sich eine staatliche Prämie abholen.

Für Luis Miguel Domínguez, Vorsitzender der Tierschutzvereinigung Lobo Marley, ist der Wolf hingegen "ein Kronjuwel der iberischen Fauna". Er fordert besseren Schutz und totales Jagdverbot im ganzen Land. "Die Leute töten ihn wegen seines schlechten Rufes", sagt er, "er ist ein Opfer von zoologischem Rassismus." Die Datenerhebung der Regionalregierung von Kastilien und León zum Wolfsbestand hält er für unwissenschaftlich. Darin ist von knapp 300 Rudeln die Rede, ohne Angaben zu Individuen. "Hier geht es um Politik und Geld, nicht um Tierschutz", sagt Domínguez. (Brigitte Kramer aus Zamora, 29.9.2016)