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Nach und nach werde sich London von missliebigen Gesetzen verabschieden, kündigt Theresa May an.

Foto: . REUTERS/Toby Melville

Großbritannien wird Anfang 2019 die Europäische Union verlassen. "Bis Ende März" nächsten Jahres werde sie Artikel 50 des Lissabon-Vertrags in Kraft setzen, der den Austritt binnen zwei Jahren in Gang setzt, sagte Premierministerin Theresa May (60) am Sonntag in Birmingham. Im Frühjahr soll dann das Londoner Parlament jene Gesetze widerrufen, die 1972 den Weg der Insel in die damalige EWG ebneten.

Den Delegierten des Jahrestreffens ihrer konservativen Partei rief die Regierungschefin zu: "Das Land hat für den Austritt gestimmt. Wir werden ein völlig unabhängiges, souveränes Land sein."Die im Gefolge des Austrittsvotums vom 23. Juni dieses Jahres ins Amt gekommene Politikerin stand in den vergangenen Wochen unter zunehmendem Druck, ihren Slogan "Brexit bedeutet Brexit" mit Details und einem konkreten Zeitplan zu unterfüttern.

Die jetzt gefundene Formel stellt einen Kompromiss dar zwischen den EU-Feinden im eigenen Kabinett, die einen möglichst raschen Austritt befürworten, und jenen, die das schwierige Unterfangen möglichst auf die lange Bank schieben wollten.

Rolle des Parlaments unklar

Mit der Verknüpfung zwischen den Austrittsverhandlungen und dem Parlamentsvotum setzt May zudem jene Mehrheit der Unterhaus-Abgeordneten sowie ungewählten Lords unter Druck, die den Verbleib im Brüsseler Club wünscht. Deren Argumente, das Parlament müsse der Inkraftsetzung von Artikel 50 zustimmen, wischte die Premierministerin beiseite: "Diese Leute verteidigen nicht die Demokratie, sondern versuchen sie zu untergraben."

Deshalb wird der Generalstaatsanwalt Jeremy Wright kommende Woche persönlich im High Court auftreten. Dort soll über mehrere Anträge verhandelt werden, die der Regierung das Mitspracherecht des Parlaments aufzwingen wollen.

Mit ihrer 20-minütigen Ansprache zum Thema "Globales Britannien – Brexit zum Erfolg machen" wollte May ihren Worten zufolge "das Land auf dem Laufenden halten". Erneut wiederholte die Regierungschefin aber ihre Warnung, es könne über die Einzelheiten des Verhandlungsprozesses "keinen Dauerkommentar" geben. Nach der Chefin durften auch Austrittsminister David Davis sowie Außenminister und Brexit-Anführer Boris Johnson das Hohelied des weiterhin weltoffenen Landes außerhalb des Brüsseler Clubs singen.In der warmen Oktobersonne vor dem Prachtbau des Birminghamer Rathauses skandierten am Sonntagmittag Hunderte von Demonstranten Slogans gegen die neue Premierministerin und die weiterhin geltende, wenn auch abgemilderte Sparpolitik ihrer Regierung.

Am Eingang des nahegelegenen Kongresszentrums werden die Delegiertenpässe genau geprüft, alle Teilnehmer müssen sich Kontrollen wie am Flughafen unterziehen, genau beäugt von Polizisten mit Maschinenpistolen – ein klarer Kontrast zum Jahrestreffen der Labour-Party in Liverpool, wo vergangene Woche Sicherheit nur kleingeschrieben wurde.Der noch bis Mittwoch dauernde Parteitag der Regierungspartei steht unter dem Motto "Ein Land für alle" (a country that works for everyone).

Das etwas sperrige Soundbite stammt aus Theresa Mays Antrittsrede vom Juli, als sie die Amtsgeschäfte von David Cameron übernahm. Die dem liberalen Flügel der Partei zugerechnete Politikerin versucht damit der Entfremdung vieler Menschen vom politischen System, deren Ängsten vor Jobunsicherheit und massenhafter Einwanderung zu begegnen.

Dank an Ex-Premier

Zwar dankte zu Beginn des Parteitags Patrick McLoughlin, Generalsekretär im Kabinettsrang, dem früheren Premierminister David Cameron. Von dessen Politik und dem harten Sparprogramm des früheren Finanzministers George Osborne hat sich Theresa Mays Regierung aber deutlich distanziert. Am Wochenende hatte Sozialminister Damian Green die härtesten Kürzungen für Behinderte annulliert. Der frühere Regierungschef und sein engster Vertrauter bleiben dem Parteitag fern, Cameron hat sogar sein Unterhausmandat zurückgegeben. (Sebastian Borger, 2.10.2016)