Mit mutmaßlichen Dealern wird auf den Philippinen kurzer Prozess gemacht.

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Duterte entschuldigt sich bei der jüdischen Gemeinde für eine Aussage über Hitler.

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Romeo Santos hat viel Zeit zum Nachdenken. Der Philippiner ist Taxifahrer, 16 bis 18 Stunden lenkt er einen alten Toyota durch die Straßen der Hauptstadt Manila. Mindestens die Hälfte davon steht er im Stau, "dann rede ich mit meinen Fahrgästen", erzählt der 52-Jährige. Was er in letzter Zeit dabei erfährt, gefällt ihm gar nicht. "Seit Präsident Duterte regiert, passieren schlimme Dinge", sagt Santos kopfschüttelnd. Mit "Dingen" meint er den Drogenkrieg des am 10. Mai mit großer Mehrheit gewählten Rodrigo Duterte, dem bisher über 3000 Philippiner zum Opfer gefallen sind.

Es sind Polizisten und sogenannte Vigilantes, eine dubiose Mischung aus Bürgerwehren und angeheuerten Killern, die vermeintlichen Drogenabhängigen und Dealern nachsetzen. Ihre Opfer finden sie vor allem in den Slums der Hauptstadt. Hier leben die Hoffnungslosen, denen "Shabu", so der lokale Name des weitverbreiteten Crystal Meth, eine kurze Flucht aus der Realität bietet – oder als Dealer eine Einkommensquelle. Für Duterte sind sie alle "Zombies", die er erledigen will. Aus Furcht vor der tödlichen Reinigungswelle haben sich bereits etwa 700.000 Menschen aus dem Drogenmilieu bei den Behörden gemeldet, die meisten wurden gleich wieder heimgeschickt, Therapiezentren wie Gefängnisse sind überlaufen.

Kriminalität ausrotten

Im Wahlkampf hatte Duterte versprochen, Kriminalität und Korruption auszurotten. Dass er das kann, hat der Hardliner in mehr als 20 Jahren Amtszeit als Bürgermeister von Davao, der größten Stadt der Unruheinsel Mindanao, bewiesen. Aus der einstigen "Murder City" machte er eine prosperierende Großstadt.

Dabei agierte der Jurist nach seinen eigenen Gesetzen. Todesschwadronen, die er zumindest tolerierte, ermordeten mutmaßlich bis zu 1400 Menschen, zumeist Kleinkriminelle. Nun will Duterte landesweit aufräumen. Den Drogenkonsum – laut offiziellen Angaben nehmen 1,8 Millionen Philippiner illegale Substanzen – hat der 71-Jährige als größtes Problem des Inselstaats ausgemacht. Der Mann aus Mindanao kommt mit seinem simplen Weltbild bei den Massen gut an. Dutertes Sprache verstehen sie.

Die sozialen Probleme der Philippinen sind gewaltig. Mehr als ein Drittel der 101 Millionen Bürger leben unter der Armutsgrenze, die Infrastruktur ist schwach, im Gesundheits- und Erziehungssystem fehlt es an Geld. Und das, obgleich unter Dutertes Vorgänger Benigno "Noynoy" Aquino die Wirtschaft so rasch wuchs wie kaum sonst wo in Asien. Bei den Armen kam von dem kleinen Wirtschaftswunder nichts an.

Eine Mitarbeiterin von Grace Poe, einer unterlegenen Präsidentschaftskandidatin, gibt im Nachhinein zu: "Ich glaube, wir alle haben unterschätzt, wie frustriert die Leute sind. Sie sind lieber das Risiko eines brachialen Wechsels eingegangen, in der Hoffnung, dass etwas für sie herauskommt."

Beliebter Duterte

Nach drei Monaten ist Duterte Umfragen zufolge beliebter, als es je ein Präsident war. Und das nicht nur in den armen Schichten. "Er verspricht nicht nur, er liefert, und das sehr schnell", versucht JD Montelibano eine Erklärung. Als Produktentwickler bei einer großen Telekommunikationsfirma gehört er zur kleinen Mittelschicht des Landes. "Duterte macht einen guten Job. Er baut Bürokratie ab, er führt Friedensverhandlungen mit den Kommunisten, er sorgt für Transparenz in der Regierung. Und auch wenn die Opferzahlen horrend sind – Manila fühlt sich jetzt sicherer an", bilanziert Montelibano. "Das Einzige, was ich furchtbar finde, ist seine Sprache." In der Tat verflucht und verunglimpft Duterte politische Gegner und Kritiker. Leid tut es ihm nicht wirklich. "Ich habe mich als Präsident beworben, nicht als Staatsmann", sagt er.

Während international Entsetzen über Dutertes Drogenkrieg herrscht, gibt es auf den Philippinen kaum Widerstand. Die Politologin Edna Co meint dazu: "Historisch gesehen ist ein Leben auf den Philippinen nicht viel wert. Es gibt kein Verständnis dafür, was Menschenrechte sind. Die Armen glauben, dass sie keine haben. Und die Reichen denken, dass die Armen keine verdienen." Taxifahrer Romeo Santos stimmt dem zu: "Wer unten ist, bleibt unten. Und Duterte wird das auch nicht ändern. Er löst unser größtes Problem nicht, das ist die Armut. All die Drogentoten – wem soll das etwas bringen?" (Hilja Müller aus Manila, 6.10.2016)