Es muss nicht immer eine Nadel sein. Es gibt auch die Möglichkeit einer "nasalen Grippeimpfung".

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Wäre die 16-Jährige schon früher an die Schule in Massachusetts gekommen, wäre sie nicht so heftig erkrankt. Eine schwere Grippe erwischte die Austauschschülerin aus Zürich im März, tagelang lag sie mit hohem Fieber im Bett. "Was, du bist nicht geimpft?", fragte die Gastmutter. "Wir haben die Grippe schon lange nicht mehr gesehen, bei uns erhalten die Schüler jedes Jahr eine Grippeimpfung."

Das Österreichische Gesundheitsministerium empfiehlt in seinem Impfplan 2016 "besonders die Impfung für Säuglinge und Kleinkinder ab dem vollendeten sechsten Lebensmonat." Auch in den USA raten die Gesundheitsbehörden jedem Menschen ab einem Alter von sechs Monaten zur Impfung. Wer einmal eine echte Grippe – sprich Influenza – gehabt hat, weiß, dass das mit einem grippalen Infekt wenig zu tun hat: plötzliche, heftige Kopfschmerzen, hohes Fieber und Schüttelfrost, Übelkeit, Schmerzen in Muskeln und Gelenken.

Die Influenza kann schwere Komplikationen verursachen, etwa Entzündung von Lunge, Herzmuskel oder Gehirn. Pro Jahr sterben in Österreich etwa 1.200 Menschen an den Folgen der Influenza. "Man muss sich im Klaren sein: Eine Grippe ist kein Kinderspiel", sagt Christoph Hatz, Chefarzt des Schweizerischen Tropeninstituts.

Menschen als Herde verstehen

In den USA will man einen Herdenschutz erreichen: Je mehr Leute geimpft sind, desto weniger Chancen haben die Viren, sich zu verbreiten. "Man schützt damit nicht nur sich selbst, sondern auch seine Mitmenschen, die nicht so eine gute Immunabwehr haben. Aber leider ist Altruismus in unserer Gesellschaft ein Fremdwort geworden", kritisiert Hatz. In Österreich oder der Schweiz ist die Impf-Skepsis weit verbreitet. Was die Grippe-Prävention betrifft, befindet sich Österreich, einer Studie der MedUni Wien aus dem Jahr 2013 zufolge, weltweit ganz hinten.

Sie halte nichts davon, immer gegen alles zu impfen, wenn der Körper alleine mit der Krankheit fertig werde, sagt eine 45-jährige Mutter von vier Kindern. "Als Schüler wird man in den USA vermutlich schief angeguckt, wenn man sich nicht impfen lässt, und Erwachsene werden gesellschaftlich sanktioniert, wenn sie wegen Grippe eine Woche ausfallen." Das Verhältnis zwischen Nutzen für die Gesellschaft und Nachteilen für den Einzelnen sei für sie aber nicht ausbalanciert.

Impfreaktionen und Nebenwirkungen

Bei einer Grippeimpfung werden dem Körper abgetötete Viren oder Teile davon verabreicht. Das Immunsystem bildet gegen zwei Eiweiße auf der Oberfläche des Virus Antikörper, die bei einer späteren Infektion das "echte" Grippevirus bekämpfen können. Allerdings ändern die Viren die Oberflächeneiweiße von Saison zu Saison – deshalb muss man jedes Jahr erneut impfen. Bis zu 4 von 10 Personen bekommen nach der Impfung Rötungen oder Schmerzen an der Einstichstelle, jeder Zehnte eine erhöhte Temperatur, Muskelschmerzen oder ein leichtes Unwohlsein.

"Diese Symptome treten aber meist nur bei der ersten Impfung auf – später nicht mehr", sagt Hatz. Sehr selten kann die Impfung eine Allergie mit Hautausschlägen oder Atemproblemen auslösen und extrem selten ein Guillain-Barré-Syndrom mit Lähmungen am ganzen Körper. "Das kommt aber bei einer Grippe viel häufiger vor", kommentiert Hatz.

Impfstoff über die Nase

Für Christoph Berger, Kinderarzt und Infektiologe am Universitäts-Kinderspital in Zürich, wäre es eine Option, alle Kinder gegen Grippe zu impfen. "Zum einen, um sie selbst zu schützen, zum anderen, weil sie oft die Krankheit an die Großeltern übertragen, die ein viel höheres Risiko für Komplikationen haben." In den USA und in Deutschland steht ein Impfstoff zur Verfügung, der wie ein Nasenspray appliziert wird und der ebenso wirkungsvoll sein soll wie die Spritze. In Österreich wird diese Variante seit September 2014 für Kinder zwischen zwei und 18 Jahren angeboten.

"Bei manchen Kindern wäre der Nasen-Impfstoff sicherlich einfacher", sagt Berger. "Aber wenn man ihnen und den Eltern gut erklärt, wozu der Piks wichtig ist, machen die Kinder gut mit." Bis zu 90 Prozent der geimpften gesunden Kinder und jungen Erwachsenen sind vor einer Infektion geschützt, bei den älteren Personen sind es dagegen nur rund 50 Prozent. Der Grund: "Im Alter funktioniert das Immunsystem zum Aufbau des Impfschutzes nicht mehr so gut", sagt Hatz. "Aber bei den Senioren ist ein Schutz von 50 Prozent besser als nichts." (Felicitas Witte, 10.10.2016)