Ein junger Japanmaki beim Gähnen. Primaten wie wir Menschen brauchen dafür länger als andere Säugetiere, weil damit mehr Neuronen im Gehirn gekühlt werden.

Daisuke Tashiro

Oneonta/Wien – Das Gähnen ist evolutionsbiologisch betrachtet ein ziemlich rätselhaftes Verhalten. Gut, es steht meist im Zusammenhang mit Müdigkeit – aber wie genau, ist unklar. Mysteriös ist unter anderem aber auch, warum Gähnen "ansteckend" ist, zumindest bei etlichen Säugetierarten: Schildkröten etwa sind dazu nicht in der Lage. Warum aber gähnen Männer seltener mit als Frauen, wie kürzlich eine Studie zeigte?

Eine der physiologisch überzeugendsten Hypothesen "zum Gähnen" behauptet, dass dieses bei müden Gehirnen für einen kurzen Stimulus sorgt, indem es den Blutfluss im Schädel anregt, was wiederum die Neuronen kühlt. Denkt man diese Annahme konsequent weiter, dann müsste das Leistungsvermögen von Gehirnen auch einen Einfluss auf das Gähnen haben. Und genau das haben nun drei Psychologen um Andrew Gallup (New York State University) untersucht.

Gähnen bei 19 Säugetierarten

Das Forschertrio wertete für seine Studie im Fachblatt Biology Letters unter anderem Videos auf Youtube aus, die Säugetierarten bei Gähnen zeigten, und verglich dabei die zeitliche Länge des Gähnvorgangs bei 19 Spezies. Unter den ausgewertenen Clips war unter anderem auch dieser besonders putzige:

Vorsicht, Ansteckungsgefahr: Große und kleine Tiere beim genüsslichen Gähnen.
TastefullyOffensive.com

Tatsächlich zeigte sich bei der Auswertung der Daten ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Gähndauer und der Leistungsfähigkeit der jeweiligen Tiergehirne. Die kognitiv vergleichsweise schlichten Pferde, Kamele oder Walrosse gähnen zwar recht imposant, aber eindeutig kürzer als Menschen oder Schimpansen. Die Größe der Tiere oder die Anzahl der beim Gähnen bewegten Knochen spielte hingegen so gut wie keine Rolle.

Gallup und seine Kollegen haben bereits Nachfolgestudien geplant. Zum einen wollen sie ihre These auch an Fischen, Vögeln und weiteren Säugetieren überprüfen. Zum anderen soll untersucht werden, wie sich die auffällig großen Unterschiede in der Gähndauer beim Menschen erklären lassen. Hier könnten neben der Hirnkühlung soziale Faktoren eine größere Rolle spielen, vermuten die Forscher. (Klaus Taschwer, 6.10.2016)