Raoul Schrott z. B. unterwegs in Chile: "Wenn Sie so wollen, ist dieses Buch 'Erste Erde' der Versuch, mir selbst eine andere Genesis zu erschreiben."

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Das älteste Stück Erde: Ein über vier Milliarden Jahre alter Gneis in der arktischen Tundra Kanadas.

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Was lässt sich erzählen vom Urknall, der Entstehung der Erde und dem Beginn des Lebens? Sieben Jahre lang ist Raoul Schrott dieser Frage nachgegangen. Er hat die Welt bereist, um zu den Ursprüngen zu gelangen, den ältesten Steinen, den Fossilien von allererstem Leben, den frühesten Spuren des Menschen, und hat dazu zahlreiche Gespräche mit Naturwissenschaftern geführt. Entstanden ist ein gewaltiges Epos, beeindruckend in seiner erzählerischen Fülle wie in seiner thematischen Spannweite.

Standard: Ihr Epos "Erste Erde" ist ein monumentales Werk über die Entstehung der Welt und die Entwicklung des Lebens. Für sich hätten Sie wissen wollen, "was da draußen und in uns ist: mich dem entgegenstellen, mit meinen Möglichkeiten, um ihm für mich eine existenzielle Bedeutung abzugewinnen". Ist Ihnen das gelungen?

Schrott: Ich kann nun zum ersten Mal sagen, dass einen die Arbeit an einem Buch selbst verändert. Die Auseinandersetzung mit den Fachrichtungen und die Gespräche mit Wissenschaftern schenkten mir viele überraschende Einsichten, die man zwar jeweils in einem Kapitel, einer Figur zu bündeln vermag – in all ihrer Fülle müssen sie sich jedoch erst setzen und eins werden. Deshalb wäre es mir lieber gewesen, ein anderer hätte ein solches Buch vor zehn Jahren geschrieben und einen roten Faden von der Erde über die Entstehung des Lebens hin zu uns gefunden. Dann hätte ich einen Boden unter den Füßen gehabt, um darauf zu stehen – als Mensch und in der Welt. So musste ich ihn mir erst erarbeiten. Sonst schreibt man, weil man glaubt, einen originellen Blick auf etwas zu haben. Bei diesem Buch war das Gegenteil der Fall: Nicht meine Perspektive zählte, sondern die Welt. Ich hatte das Gefühl, ich setze mich damit stellvertretend für uns alle auseinander und bringe dabei nur mein bisschen Sprachtalent ein, um etwas davon verständlich werden zu lassen.

Standard: Sie sind sogar zu den Fundstellen früher Zeugnisse der Erdgeschichte gereist. Als Sie auf den ältesten Stein gestoßen sind, haben Sie da gefühlt, dass Sie den Beginn unserer Welt in Händen halten?

Schrott: Das älteste Stück Erde, das man in der Hand halten kann, ist ein über vier Milliarden Jahre alter Gneis in der arktischen Tundra Kanadas. Damit ist er zwar nicht das älteste bekannteste Gestein – das ist nur noch in winzigen, bloß unter dem Mikroskop erkennbaren Kristallen erhalten. Dieser Gneis aber lässt sich greifen, in all seiner Schwere in die Finger nehmen. Er stammt vom ersten Festland, das sich aus den vulkanischen Inseln in einem damals wahrscheinlich 60 Grad heißen Ozean gebildet hat. Um an ihn zu gelangen, muss man sich jedoch zunächst einmal durch Festmeter von Fachliteratur lesen und dann von Geologen die Koordinaten des Fundortes erfahren. Die Recherche erschließt einem seine Bedeutung und die Prozesse, die ihn entstehen ließen – einen wirklichen Bezug dazu gewinnt man aber erst auf der nicht ungefährlichen Reise. Von solchen Abenteuern lebt ja das Buch.

Den Stein dann jedoch in die Hand zu nehmen, hatte etwas Schwindelerregendes: Da kommt man aus der eigenen, scheinbar alles bestimmenden Gegenwart und steht plötzlich an einem Ort, der fast so alt ist wie die Entstehung des Sonnensystems und des Mondes. Erstaunlich dabei ist, wie das Wissen um die Dinge diese völlig verändert. Gneis gibt es auch in den Alpen, wo ihn kaum jemand würdigen würde. Allein das Bewusstsein, dass dieser graue Felsbrocken mit seinen weißen Bändern und schwarzen Einsprengseln ein Stück der ersten Erde darstellt, verändert die Wahrnehmung vollkommen. Aus dem scheinbar Gewöhnlichen wird so ein Blick in unheimliche zeitliche Tiefen.

Standard: Sie haben 1997 die Lyrikanthologie "Die Erfindung der Poesie. Gedichte aus den ersten viertausend Jahren" herausgebracht, 2001 das Gilgamesch-Epos neu übersetzt und sich 2007 mit dem Band "Die fünfte Welt. Ein Logbuch" zum letzten nicht kartierten weißen Flecken auf unseren Landkarten begeben. Sind Sie beständig auf der Suche nach dem Anfang?

Schrott: Vielleicht zieht es mich zu Anfängen, weil in ihnen so vieles beschlossen liegt. Die Lektion aller Anfänge ist allerdings, dass es solche letztlich nicht gibt, weil sich immer eines aus dem anderen entwickelt. Der eine Anfang, von dem wir glauben, alles ableiten zu können – der Urknall -, bleibt deshalb eine rein theoretische Spekulation. Mich zu fragen, woher Gedichte kommen und weshalb sie erfunden wurden, war der Versuch, den Beginn der Literatur fassbar zu machen. Den Menschen über die Entstehung der Atome und Minerale, die ersten Mikroben oder dann die Lungenfische zu erklären, war ein umfassenderes Anliegen. Beides aber ist von dem Verlangen getragen, sich ein Sachwissen anzueignen, um sich zu fragen, welche Relevanz es für uns hat, im Hier und Jetzt. Welche existenzielle und moralische Bedeutung lässt sich davon ableiten? Wie verortet es uns im Universum? Wie verändert der Blick auf den Nachthimmel, vorausgesetzt wir sehen ihn überhaupt noch, die Ansicht des eigenen Lebens?

Standard: Ist "Erste Erde" das Opus magnum Ihrer biblischen Suche nach einem Anfang?

Schrott: Mit der Idee eines Gottes konnte ich nie viel anfangen; ebenso wenig mit religiösen Ritualen. Das Mysterium des Universums übersteigt beides bei weitem und übermalt dabei auch das Bild einer autoritären, uns beeinflussenden Gottheit. Nicht zu leugnen ist jedoch, dass die Sprache der Poesie aus der Religion hervorging – und dass umgekehrt Religion, ob Bibel oder Koran, ursprünglich nichts anderes war als Dichtung. Mit dem gegenwärtigen Zerfall dieser Sinnstiftungen aber kommt man zwangsläufig wieder auf die ursprüngliche Bedeutung von "re-ligio" zurück: nämlich zwischen Mensch und Universum eine Bindung zu schaffen. Wenn Sie so wollen, ist dieses Buch der Versuch, mir selbst eine andere Genesis zu erschreiben – auf Basis unseres heutigen Wissensstandes.

Standard: Aber wie gehen Sie in Ihrer Genesis um mit der absoluten Sinnlosigkeit, die aus den wissenschaftlichen Erklärungen spricht? Sie nennen Jacques Monod, der eine radikale Fremdheit des Menschen in der Welt feststellte: "Das Weltall ging nicht mit dem Leben schwanger, die Biosphäre nicht mit dem Menschen."

Schrott: Ich sehe diese Fremdheit, wenn auch nicht mehr ganz so radikal, weil mir durch die Arbeit an dem Buch bewusst geworden ist, woraus wir hervorgingen. Der radikalen Fremdheit gegenüber steht, dass wir, indem wir hier reden, Produkt der Welt und ihrer Prozesse sind. Auf der elementarsten Ebene dürften wir also gar kein Problem mit der großartigen Gleichgültigkeit des Universums haben, weil wir doch ebenso wirklich sind wie die Steine, Pflanzen und Bakterien um uns.

Unsere Art des Denkens, unsere Fixation auf Strukturen und Symmetrien, bedingt offenbar, dass wir einer höheren Dosis an Sinnstiftung bedürfen. Sie ergibt sich vielleicht nicht mehr, wie zuvor, aus der unmittelbaren Anschauung der Welt – dennoch bieten uns die nunmehr wissenschaftlich vermittelten Erkenntnisse zahllose Anknüpfungspunkte, um uns darin neu verorten zu können. Wir müssen sie nur wieder in Umrisse bringen. Indem wir solche Koordinatenräume anlegen, setzen wir ja jene Bezüge zur Welt, die wir Sinn nennen.

Standard: Wir sind nichts als Chimären der vielen Leben, die uns vorausgingen. Kann ich für mein Leben tatsächlich Sinn finden, wenn ich weiß, dass dieses oder jenes Tier in mir steckt?

Schrott: Man gelangt damit zunächst zu anderen Definitionen des Humanen als der, mit der wir uns die letzten paar Jahrtausende beholfen haben. Lassen Sie mich ein Beispiel geben: Schwämme sind die ältesten mit uns verwandten vielzelligen Lebewesen. Sie stehen am Ursprung unserer Abstammungslinie. Zuvor trieben die Eukaryoten, aus denen wir hervorgingen, als Plankton im Ozean; unter dem Einfluss einer weltweiten Eiszeit aber verankerten sie sich zu Abertausenden als Kollektiv auf dem Meeresboden. Dazu mussten sie unten eine Haftknolle bilden und oben einen vasenförmigen Körper, durch dessen Poren kleine Geißeln das Wasser strudelten, um Nahrung aufzunehmen. Um dies zu koordinieren, bedurfte es erstmals einer Signalleitung – aus der dann das menschliche Nervensystem entstand. Aus den winzigen Proteinröhrchen dieser nicht nur beweglichen, sondern auch sensorischen Geißeln entwickelten sich bei uns die Neuronen. Die Geißeln selbst aber sitzen noch als Flimmerhärchen in unseren Lungen, Stirnhöhlen, im Rückenmark und den Eileitern. Aus dem Skelett der ersten Glasschwämme hinwieder ging das menschliche Skelett hervor, und aus ihrem Immunsystem dann das unsere. Das sind keine unabhängigen Entwicklungen, sondern Phänomene von Emergenz. Das heißt, dass das 700 Millionen Jahre alte genetische Programm der Schwämme tief in uns steckt und uns aufbaut – wobei aus ihrer Haftknolle schließlich unser Kopf wurde. Damit müssen wir den Menschen anders denken – gewissermaßen verkehrt herum. Dafür sind Literatur und Kunst da. Sie vermögen so etwas einsichtig und anschaulich zu vermitteln.

Standard: Sie zitieren den Physiker Richard Feynman, der sich in den 1950er-Jahren beklagte, "unsere Dichter" ließen sich nicht von der Wissenschaft inspirieren ...

Schrott: Das trifft im Großen und Ganzen sicher weiterhin zu. Dennoch gibt es eine lange Tradition wechselseitiger Befruchtung von Literatur und Wissenschaft. Der Astronom Johannes Kepler hat mit der Mondfahrt seines Somnium die Science-Fiction-Literatur begründet, die über Jules Verne und H. G. Wells zu uns führt – während umgekehrt etwa Hermann Brochs Roman "Die Unbekannte Größe" oder Dürrenmatts "Physiker" die Naturwissenschaft zum Protagonisten machte. Für die Gegenwart würde ich bei uns Thomas Lehr, Ulrich Woelk, Ulrike Draesner, Reinhard Jirgl, Durs Grünbein, aber auch den Wissenschaftsphilosophen Michael Hampe nennen.

Zweifellos jedoch gibt es zwischen dem Weltbild der Wissenschaft und dem unseres Kulturschaffens zu wenige Überschneidungen. Sie existieren gleichsam in Parallelwelten – wobei die Religion noch dazukommt. Alle drei "Lager" vertreten sozusagen ihre eigenen Ethiken, ohne dass abzusehen wäre, wie dies zu einer einheitlichen Weltanschauung führt. Dabei ist die Auseinandersetzung zwischen ihnen überfällig. Es bleibt uns ja gar nichts anderes übrig – außer wir fallen wieder in ein mythisches Zeitalter zurück.

Standard: Was die Kunst betrifft, so wird sie – die Abbildungen im Buch legen davon Zeugnis ab – von der Natur bereits hervorgebracht ...

Schrott: Sie spielen auf den "Ruinenmarmor" an, jene Steine, auf denen man ganze Städte und Landschaften erkennen kann – gleichsam als Spielformen der Geologie. Dennoch gibt es im Buch der Natur keine symbolischen Zeichen, in denen wir uns selber zu entziffern vermöchten. Sie verraten auf ihre Weise zwar Konstruktionsprinzipien von Welt – ohne dass wir diese letztlich endgültig zu begreifen in der Lage wären. Die Fantasie der Natur ist nun mal weitaus größer als unsere – wie Feynman gesagt hat.

Standard: Beeindruckend, aber auch verstörend ist Ihre erzählerische Umsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse. So stellen Sie etwa der Entstehung des Lebens ein individuelles Lebensschicksal und eine Krebskrankheit entgegen, und die ersten Pflanzen begleiten Sie mit der Totgeburt eines Kindes. Sind das nur literarische Bezüge – oder sehen Sie tatsächlich Linien?

Schrott: Relevant wird abstraktes Wissen immer nur über seinen Bezug zu uns. Durch die Masken literarischer Figuren zu sprechen, ermöglichte es, einzelne Aspekte der Weltgeschichte darzustellen – um zu zeigen, wie dieses Wissen sich in Menschen verkörpert. Einige Figuren ergaben sich aus der Begegnung mit Wissenschaftern, die mich nicht nur aufgrund ihrer Kenntnisse beeindruckten. Andere hinwieder gewannen wie von selbst Gestalt durch das jeweilige Themenfeld, in dem sie sich bewegten. Wie etwa die Idee des Urknalls anschaulich machen? Ich habe versucht, sie über drei Astronomen und ihrer Lebensgeschichte vorzuführen. Die Geschichte der Pflanzen wiederum mit der Totgeburt eines Kindes in Verbindung zu bringen, erlaubte es, Gegenpole aufzustellen. Der Tod ist stets der größte Kontrast zum Leben, vor ihm tritt es am klarsten hervor. Das Leben wiederum zeigt, was uns mit Pflanzen verbindet, die gemeinhin als in unserem Sinn wenig lebendig erscheinen. In dieser Gegenüberstellung steckt dann so viel Trost wie Trotz. Trost, indem man beim Schreiben aufzeigen kann, was uns mit der Welt verbindet; Trotz in der Behauptung des Humanen gegenüber der Indifferenz der Welt.

Standard: Was hat Sie bewogen, für Ihre Darstellung die Form des Epos zu wählen?

Schrott: Es stellt die ideale Mischform aus erzählerischem Gestus und dichterischer Sinnstiftung dar. Prosa macht die Welt mittels Geschichten zugänglich; allein die Poesie besitzt die suggestive Kraft, die Entstehung von Atomen, der Erde oder des Lebens anschaulich zu machen. Das habe ich bei der Übersetzung von Homers "Ilias" gemerkt: Mit ihren verschiedenen Figuren stellt sie das Panorama einer Zeit dar und setzt dabei zugleich erzählerisch die Mächte der Welt ins Bild. Als offene und zugleich strenge Form zwingt ein Epos dazu, ebenso präzise wie verständlich zu formulieren – ohne dass die Poesie dabei etwas vordergründig verrätselt. So lässt sich das Buch gewissermaßen wie 28 poetische Kurzromane lesen. Wobei all das Hintergrundwissen dann in einem Anhang steckt, der unseren heutigen Kenntnisstand auf 200 Seiten zusammenfasst.

Standard: Die wissenschaftlichen Erklärungen, die Sie in Ihrem Epos verarbeiten, bilden ein Gegenüber zu den Weltschöpfungsmythen, von denen Sie die Kosmogonie der indigenen Maori darstellen ...

Schrott: Das Buch ist chronologisch aufgebaut, was das Problem mit sich brachte, mit dem wohl unanschaulichsten Punkt beginnen zu müssen – dem Urknall, den selbst größte Sprachanstrengung nicht vorstellbar zu machen vermag. Auf der Suche nach einem anderen Auftakt stieß ich auf den letzten mündlich überlieferten Weltschöpfungsmythos. Er entstand um 1880 in Neuseeland, als die Maori durch die englischen Missionare in Zugzwang kamen, der biblischen Genesis etwas Eigenständiges entgegenzusetzen. Er markiert somit das Ende einer jahrtausendealten Tradition – klingt jedoch mit der Entstehung des Gottes Io aus dem Nichts bereits wie eine Illustration von Einsteins Relativitätstheorie.

Standard: Inwieweit sind die wissenschaftlichen Theorien nicht ohnehin auch nur Mythen?

Schrott: Unser Gehirn ist eine Assoziationsmaschine. Wir denken in Analogien, die Strukturen miteinander vergleichen und sie von einem Bereich auf einen anderen projizieren. Das hat, vom Heureka des Archimedes an, zu den wichtigsten wissenschaftlichen Entdeckungen geführt. Zu diesen Denkmustern gehören Metaphern und Mythen – sie geben Vorstellungen vor, welche sich dann Jahrhunderte später plötzlich in mathematischer oder physikalischer Form realisieren können. Die Idee des Urknalls etwa stammt von dem belgischen Physiker Georges Lemaître, der als katholischer Priester ausgebildet war. Als solcher kannte er Augustinus – der in seinen "Bekenntnissen" die Idee aufbringt, dass der Weltraum zugleich mit der Zeit aus einem Punkt im Nichts entstand. Lemaîtres Leistung bestand in der Erkenntnis, dass diese Vorstellung eines Urknalls mit der Einstein'schen Relativitätstheorie abgleichbar war. Dunkle Energie und Dunkle Materie sind ja ebenfalls nichts anderes als Metaphern, mit denen heute schon gerechnet wird, ohne dass sie eine Realität besäßen.

Standard: Einstein bezeichnete es als das Unverständlichste an der Welt, dass sie verständlich ist ...

Schrott: Einstein nahm eine platonische Klarheit an, als wäre die Welt die unvollkommene Realisation eines vollkommenen Bauplans. Das merkt man an seiner Diskussion mit Niels Bohr und seinem Diktum, dass Gott nicht würfelt. Da sehe ich mich eher bei Bohr. Der nimmt das Paradoxe der Welt an und versucht, mit diesen Paradoxien zu denken. Andererseits war sich Einstein bewusst, dass Formeln und alles Reden über "Wellen" und "Teilchen" letztlich nur gedankliche Behelfe sind. Die Idee der Zahl und dass 1 + 1 = 2 ist, gibt es in der Natur ja nicht als Absolutum. Zwei Wassertropfen ergeben nur einen größeren, der immer noch einer ist. Was wir schaffen, sind stets Hilfskonstruktionen. Dass der menschliche Einfallsreichtum dennoch in der Lage ist, sich aufgrund von Analogieschlüssen ein Weltbild zu basteln, das in seiner Eigendynamik mittlerweile fast so komplex ist wie die Welt, erscheint mir immer aufs Neue erstaunlich.

(Ruth Renée Reif, 8.10.2016)