Ludovic Ferrière hat rund 350 Proben der Bohrkerne für die Forschungsarbeit in Wien im Gepäck.

Foto: NHM Wien

Bei dem Impakt starben rund drei Viertel aller Tier- und Pflanzenarten aus.

Illustration: D. Jalufka & NHM Wien

Der Krater liegt tief unter Sedimenten verschüttet und ist nur indirekt sichtbar zu machen, wie hier auf einer Schwereanomalie-Karte.

Foto: USGS

Er gilt als eine Art Heiliger Gral der Impaktforschung: Der Chicxulub-Krater auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán zählt zu den größten und am besten erhaltenen Einschlagstrukturen auf der Erde. Darüber hinaus verfügt er wegen seines Status als Hinterlassenschaft des Dino-Killers an der Kreide-Paläogen-Grenze über eine popkulturelle Dimension. Doch die Erforschung des Kraters ist schwierig, er ist unter dicken Sedimentschichten vergraben und liegt noch dazu zum Teil vor der Küste.

Eine Forschungsexpedition des International Ocean Discovery Program (IODP) hat nun Hinweise darauf gefunden, wie sich das Leben nach dem Impakt am Ende der Kreidezeit vor 66 Millionen Jahren wieder erholt hat. Die Proben geben auch Aufschluss über die dynamischen Prozesse bei der Entstehung des Kraters. An dem Projekt sind 31 Forscher aus 12 Ländern beteiligt. Österreich ist mit dem Impaktforscher Ludovic Ferrière des Naturhistorischen Museums in Wien (NHM) vertreten.

830 Meter Vergangenheit

Im April und Mai wurden mit einer Tiefenbohrung insgesamt 830 Meter Bohrkerne aus dem Golf von Mexiko geborgen und zur Untersuchung und Vorbereitung für die wissenschaftliche Arbeit ans Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen (MARUM) gebracht. Zuvor machten die noch ungeöffneten Bohrkerne einen Zwischenstopp in Houston, wo sie mit einem medizinischen Computertomographen gescannt wurden.

Für den österreichischen Impaktspezialisten Christian Köberl ist die Expedition ein voller Erfolg. "Durch die geschickte Wahl der Bohrlokalität ist es gelungen, Gesteine, die sich normalerweise in fast unerreichbarer Tiefe befinden, zu erreichen. Die Untersuchungen erlauben uns zum ersten Mal Aufschlüsse über die dynamischen Prozesse bei der Entstehung derart großer Einschlagskrater", sagt der Generaldirektor des NHM. Köberl hat das IODP-Projekt mitbeantragt und ist Hauptantragsteller für das an der Bohrung beteiligte International Continental Scientific Drilling Program (ICDP).

Bohrkerne aus dem Peak Ring

Die Wissenschaft verfügt nun über eine fast lückenlose Abfolge von Bohrkernen aus Tiefen zwischen 506 und 1.335 Metern – ein steinernes Archiv des Impakts, der drei Viertel aller Arten an Land und im Wasser ausrottete. 120 Meter davon sind Kalksteinsedimente aus der Zeit zwischen 66 und 50 Millionen Jahren vor unserer Zeit. Unter diesen Sedimenten wurden 120 Meter von zerbrochenen und geschmolzenen Gesteinsschichten erbohrt. Diese Gesteine sind beim Impakt entstanden und bedecken den "Peak Ring", das mehr oder weniger kreisförmige Gebirge, das das Kraterzentrum umgibt.

In Bremen waren im September die beteiligten Wissenschafter zur mehrwöchigen "Onshore Science Party" zusammengekommen, im Zuge derer die Bohrkerne untersucht und für Proben ausgewählt wurden. Im MARUM wurden die Kerne auch der Länge nach in zwei Hälften gesägt. Eine Hälfte dient dabei für die wissenschaftliche Forschungsarbeit, die andere wird für zukünftige Studien archiviert.

Bei den ersten Untersuchungen wurden Belege dafür gefunden, dass sich nach dem Impakt ein hydrothermales System gebildet hat, dabei zirkulierte heißes und salzreiches Wasser durch die zertrümmerten und geschmolzenen Gesteine, die den "Peak Ring" bedeckten. Die Forscher entdeckten auch Belege für mikrobielles Leben, das von der chemischen Zusammensetzung des porösen Impaktgesteines profitierte. In den geborgenen Sedimenten sind die Schichten aus jener Zeit erhalten, in der sich das Leben im Meer von den Folgen des Impakts erholte – trotz giftiger Umweltbedingungen.

350 Proben in Wien

Ferrière bringt aus Bremen rund 350 Proben mit nach Wien, die er für seine Forschungsarbeiten ausgesucht hat. Hier wird das Material nun diversen Analysen unterzogen.

Organisiert und finanziert wurde die Chicxulub-Expedition vom Europäischen Konsortium für wissenschaftliches Ozeanbohren (ECORD). Im IODP arbeiten europäische Staaten unter anderem mit Japan und den USA zusammen. (Michael Vosatka, 12.10.2016)