Otto Grünmandl spann sich gerne "alpenländische Erfindungen" herbei.

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Andreas Vitásek erklärt in seiner Hommage die Entstehung des "Uhrenfutterals" gegen das Ticken der Zeit.

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Wien – Andreas Vitásek verbeugt sich. Weniger vor dem eigenen Publikum als vielmehr vor der fast vergessenen Kabarettgröße, die er gerade wiederaufleben lässt. Im Wiener Rabenhof hatte seine Hommage an Otto Grünmandl (1924-2000) Premiere. Leise und nachdenklich gibt er sich in der Rolle des anderen, dessen Humor er mit Mitte zwanzig für sich entdeckt hat. Der Wunsch, einmal Grünmandl zu spielen, entstand früh. Aber erst jetzt, mit 60, fühlt sich der Wiener im richtigen Alter, um den Texten seines Idols vollauf nachspüren zu können.

Geboren und gestorben in Hall in Tirol, gilt Grünmandl neben Lukas Resetarits als einer der ersten Solokabarettisten im Nachkriegsösterreich. Er gehörte zu jenen Überbrückern, die das Kabarett nach den frühen Erfolgen von Namen wie Farkas, Grünbaum, Qualtinger, Bronner und Merz in die 1980er-Jahre hinüberretteten. Sein erstes Soloprogramm Der Einmannstammtisch spielte der Tiroler beim Steirischen Herbst 1976, dem Jahr, in dem mit der Besetzung der Wiener Arena die Keimzelle von Austropop und neuem Kabarett entstand.

Gründmandl, der seine Karriere beim Radio startete und mit den satirischen Alpenländischen Interviews ab 1970 auf Ö3 zu großer Bekanntheit gelangte, blieb doch zeitlebens ein Außenseiter. Dem absurden Theater verbunden, galt seine Aufmerksamkeit stets den zuweilen in den Wahnsinn abgleitenden Skurrilitäten des österreichischen Alltags. Darunter subsumierte er gemeinhin auch das Politische, das bei ihm entweder gar nicht oder grotesk überdreht hervortrat. Eine Wahlverschiebung wegen Klebstoffproblemen hätte Grünmandl, dem Fantasten, jedenfalls gefallen.

Kabarett- & Filmraritäten

Auf allzu Bekanntes verzichtet Andreas Vitásek bei der Auswahl der Texte. Entstanden ist eine Werk- und Lebenscollage Grünmandls quer durch alle Schaffensperioden, erzählt vom Standpunkt eines alternden Komikers.

Es geht um Rasurtechniken, eine Gesellschaft der "Würger" (Krawattenträger), alpenländischen Beamten- und Bergfexnonsens, das Leben als wilder Papagei und immer wieder Sprachkritik: Austro-Englisch ("go wider"), eigenartige Nichtwörter wie "quasi" oder die Komik beim Phrasendreschen und Herumschwurbeln.

Vitásek ist zugutezuhalten, dass er kein Zerrbild des Künstlers Grünmandl zeichnet, sondern ein vielstimmiges, schillerndes Porträt, in dem neben dem Blödler auch der eigentliche Melancholiker und versteckte Poet zutage tritt. Grünmandl gelangen Verse, an denen man verzweifeln konnte und sollte. Sätze zum Wundern wie: "Höret, was Erfahrung spricht: Hier ist's so wie anderswo. Nichts Genaues weiß man nicht, dieses aber ebenso."

Sofort zünden will heute wie damals nicht jeder verdrehte (Anti)witz Grünmandls. Er lockt auch auf falsche Fährten, zeigt uns Hintertüren und doppelte Böden, die es in Wahrheit gar nicht gibt. Eine Wiederentdeckung. (Stefan Weiss, 12.10.2016)