Das Risiko für Kopfverletzungen von Fußballprofis hängt auch von der Spielerposition ab. Laut einer Studie leben Verteidiger am gefährlichsten.

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Köln – Das Fußball-WM-Finale 2014: Der Deutsche Christoph Kramer machte in der 17. Minute die schmerzliche Bekanntschaft mit der Schulter des Argentiniers Ezequiel Garay. Kramer ging bewusstlos zu Boden. Trotz einer Gehirnerschütterung steht der Deutsche wenige Minuten später wieder auf dem Feld. Seine Worte: "Schiri, ist das das Finale? Ich muss wissen, ob das wirklich das Finale ist."

Dieser Fall zeigt, dass Kopfverletzungen im Profisport noch immer nicht ernst geworden werden. Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft, die Universität Paderborn und das Unfallkrankenhaus Berlin kommen in einer aktuelle Studie zum Ergebnis, dass in Deutschland die Häufigkeit von sogenannten "Concussions" (Gehirnerschütterungen; Anm.) – nicht zuletzt durch die Popularität der Sportart Fußball – am höchsten ist.

Das Risiko hängt dabei insbesondere von der Spieler-Position ab. Verteidiger sind am stärksten gefährdet, eine Kopfverletzung zu erleiden (37,9 Prozent), gefolgt von Mittelfeldspielern bzw. Stürmern (jeweils 27,6 Prozent) und den Torhütern (6,9 Prozent). Spieler-Spieler-Kontakte stellen dabei die häufigste Ursache dar.

Neurologische Schäden

Was in Amerikas Football-Profiliga NFL längst ein großes Thema ist, findet im Fußball vergleichsweise wenig Beachtung. Außerhalb des anglo-amerikanischen Raums "gibt es bislang kaum gesicherte klinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse" zu den Langzeitfolgen von Kopfverletzungen, heißt es in der Studie.

Dabei gehen viele Experten davon aus, dass Gehirnerschütterungen langfristige Folgen wie Gedächtnisverlust, Demenz und Depressionen haben können. Die irreparable Gehirnerkrankung CTE (Chronische Traumatische Enzephalopathie) wird auf "Concussions" zurückgeführt.

Der Neurologe Bennet Omalu obduzierte im September 2002 die Leiche des Ex-Footballspielers Mike Webster, der im Alter von 50 Jahren verstorben war. Er entdeckte, dass Websters Gehirn im Zustand eines Demenzkranken war. Bei einem Zusammenstoß zwischen zwei Spielern wirken Kräfte bis zu 700 Kilogramm.

Kampfsport mit Köpfchen

Die NFL wehrte sich lange Zeit gegen einen Zusammenhang zwischen Schlägen auf den Kopf und neurologischen Leiden. Kopfverletzungen wurden lange Zeit bagatellisiert. Im März bestätigte jedoch erstmals ein Offizieller einen derartige Verknüpfung. Jeffrey Millner, Vizepräsident für Gesundheit und Sicherheit: "Die Antwort ist wohl: 'Ja'." Studien zeigen, "dass bei einer Zahl von zurückgetretenen NFL-Spielern CTE diagnostiziert wurde".

Diesen Schritt muss der Fußball erst noch gehen. Dabei sind Kopfverletzungen auch hier nicht selten. Dortmunds Roman Bürki, damals noch Torhüter von Grasshopper Zürich, wurde von seinem Gegenspieler Kristian Nushi am Kopf getroffen und lag 15 Minuten regungslos am Boden.

Petr Cech ist seit seinem Schädelbasisbruch 2006 die Stimme jener, die schwere Kopfverletzungen fürchten. Er geht seither nur noch mit einem Helm ins Tor. Frankreichs Nationaltorhüter Hugo Lloris von Tottenham Hotspur wurde 2013 gegen den FC Everton von Romelu Lukaku so hart am Kopf getroffen, dass er kurzzeitig bewusstlos war. Der Teamarzt empfahl einen Wechsel, aber der portugiesische Trainer André Villas-Boas widersetzte sich – Lloris spielte weiter. "Hugo hat einen starken Charakter und ist eine große Persönlichkeit", sagte er damals. Immerhin das ist heute nicht mehr möglich: Seit 2015 entscheidet allein der Mannschaftsarzt über das Weiterspielen eines Spielers. (sid, red, 18.10.2016)