Aus diesem Haus im fränkischen Georgensgmünd schoss "Reichsbürger" Wolfgang P. auf Polizisten, die seine Waffen beschlagnahmen wollten. Drei Beamte wurden verletzt, einer so schwer, dass er ein paar Stunden später starb.

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Für Wolfgang P. aus dem kleinen fränkischen Ort Georgensgmünd (bei Nürnberg) ist die Sache ganz einfach. Die Bundesrepublik Deutschland existiert für ihn nicht, demzufolge muss er seiner Meinung nach auch deren Gesetze und Organe nicht anerkennen.

Denn der 49-Jährige zählt sich zur Bewegung der sogenannten Reichsbürger. Von diesen gibt es in Deutschland einige Hundert. Es ist eine ziemlich heterogene Gruppe, einen gemeinsamen Anführer kennt man nicht, vielmehr konkurrieren rund 30 selbsternannte "Reichskanzler" untereinander.

"Rechtsideologisches Milieu verharmlost"

Doch die Reichsbürger haben eines gemeinsam: Sie behaupten, das Deutsche Reich in seinen Grenzen von 1937 existiere bis zum heutigen Tage. Als am Mittwoch die bayerische Polizei bei P. anrückte, um seine Waffen zu konfiszieren, schoss der Betreiber einer Kampfsportschule auf sie. Vier Beamte wurden verletzt, einer davon verstarb in der Nacht zum Donnerstag. Einige Wochen zuvor hatte P. den Behörden mitgeteilt, dass er staatliche Stellen und amtliche Bescheide künftig nicht mehr anerkennen werde.

Am Donnerstagabend wurde bekannt, dass bayerische Polizei selbst mehrere mutmaßliche "Reichsbürger" beschäftigt. Innenminister Joachim Herrmann erklärte in der BR-Nachrichtensendung "Rundschau", dass gegen vier Polizisten Disziplinarverfahren wegen Verbindungen zu den sogenannten "Reichsbürgern" laufen.

Ein Beamter sei bereits im Frühjahr vom Dienst suspendiert worden, bei den drei weiteren Polizisten seien die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen.

Landesweites Entsetzen

Die Tat hat nicht nur deutschlandweit Entsetzen ausgelöst, sondern auch den Fokus auf eine Bewegung gerichtet, die so harmlos, wie sie sich mit ihrer eigenen Währung und ihren Landkarten gerne gibt, nicht ist. Die Grünen Abgeordnete Irene Mihalic nennt die Reichsbürger eine "reale Gefahr für die innere Sicherheit" und kritisiert: "In der Vergangenheit wurde das rechtsideologische Milieu verharmlost."

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann erklärt im "Spiegel" ebenfalls, es könne nicht sein, "dass wir eine Bewegung dulden, die unseren Staat nicht anerkennt. Wer Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität abspricht, hat in einer modernen Demokratie wie der unseren nichts zu suchen". Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fordert, allen Reichsbürgern ihre Waffen zu entziehen, auch die legalen: "Wer die deutsche Rechtsordnung ablehnt, der bietet keine Gewähr, ordnungsgemäß mit Waffen umzugehen."

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die Reichsbürger bisher noch nicht besonders im Visier. Doch das soll sich nun ändern. "Wir haben unseren Verfassungsschutz gebeten, sich des Themas anzunehmen und die bisherigen Bewertungen zu überprüfen", heißt es in einer Mitteilung des Bundesinnenministeriums.

Völkisch und antisemitisch

Die Verfassungsschützer der einzelnen Bundesländer hingegen werfen schon länger ein Auge auf die Bewegung und sind zur Einschätzung gekommen, dass es sich bei längst nicht allen Mitgliedern um harmlose Spinner handelt. Nach Angaben des bayerischen Verfassungsschutzes sind 30 bis 40 Personen klar dem rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen. "Unsere Beobachtung betrifft insbesondere die Gruppe der 'Exilregierung Deutsches Reich'. Ihre Ideologie ist völkisch und antisemitisch. Das ist klar rechtsextremistisch", heißt es im bayerischen Verfassungsschutzamt. Zudem sieht dieses "Radikalisierungsprozesse" unter den Reichsbürgern im Zusammenhang mit der Asylpolitik.

Handbuch für den Umgang

In Brandenburg werden rund 300 Reichsbürger gezählt, der Verfassungsschutz bemerkt eine Tendenz zu verstärkter Gewaltbereitschaft. Da Mitarbeiter in Behörden sowie Polizeikräfte bedroht werden, gibt es mittlerweile ein eigenes Handbuch zum Umgang mit Reichsbürgern.

Der Vorfall in Georgensgmünd ist nicht der erste. 2012 nahmen Mitglieder des sogenannten Deutschen Polizei-Hilfswerks einen Gerichtsvollzieher fest, der in Sachsen eine Zwangsvollstreckung durchführen sollte, die "echte" Polizei musste ihn befreien. Im August 2016 schoss Ex-Mister Germany Adrian Ursache auf die Polizei, als diese sein Haus zwangsräumen wollte. Er hatte auf seinem Grundstück den Staat "Ur" gegründet.

Wolfgang P. aus Georgensgmünd hatte via Facebook Kontakt mit den "souveränen Bürgern des Staates Steiermark". Vor diesen warnt der steirische Verfassungsschutz, weil auch sie den Staat nicht anerkennen.

Aus diesem Haus im fränkischen Georgensgmünd schoss "Reichsbürger" Wolfgang P. auf Polizisten, die seine Waffen beschlagnahmen wollten. Drei Beamte wurden verletzt, einer so schwer, dass er ein paar Stunden später starb. (Birgit Baumann aus Berlin, 20.10.2016)